Schönen Abend, ich verrat Ihnen gleich jetzt, wie’s ausgeht; ich werde sterben, und Sie werden sterben, die Sonne wird irgendwann aufhören zu scheinen, und das Universum wird später in sich zusammenstürzen. - Und zwar auf einen einzigen Punkt ohne räumliche Ausdehnung. Die Wissenschaft nennt diesen Zustand (, daß das Gesamte Universum in einem Punkt versammelt ist,) Singularität. - Müssen Sie sich nicht merken, kommt nicht so oft vor. Das gesamte Universum in einem einzigen Punkt, ohne räumliche Ausdehnung. Also, wenn Sie zwei Rasierklingen so im rechten Winkel mit den Schneiden ganz vorsichtig aneinanderhalten, - der Punkt, an dem die beiden Klingen einander berühren, ist unendlich groß, verglichen mit dem Punkt, in dem dann das ganze Universum ist. - Und wirklich das ganze Universum. Also alles. Bis auf die Zwischenräume. Aber sonst das gesamte Universum. Da hört es sich mit der Grundstücksspekulation natürlich auf. Das gesamte Universum - Zack! Das ist also eine Theorie. Es gibt auch die Theorie, die besagt, daß das Universum im großen und ganzen so bleibt, und sich um den Verlust unserer Sonne nicht weiter kümmert, es gibt ja genügend andere Sonnen im Universum, das hängt dann so im Raum, dämmert durch die Ewigkeit und hat wahrscheinlich gar nicht bemerkt, daß unsere Sonne irgendwann verkokelt ist. Das ist eine andere Theorie, also kurz gefaßt. Eine dritte Theorie besagt, daß das Universum expandiert, und sich irgendwann verflüchtigt, wie Darmluft in den Forsten, also ein Schas im Wald. Welche Theorie zutrifft, darüber streiten die Wissenschafter noch.
( Lichtwechsel - enges Licht)
W1: A statisches Universum! - Daß i net loch! I maan du muaßt wo augrennt sie! Haums bei dia daham iwat Nocht de Tiasteck vasetzt? Du hätt`st beim Gallilei woascheinlich sogoa nu untazundn!
W2: Jo, i waß scho! Jetzt kummt wieda da Herr Gut mit seiner Berechenbarkeit philosophischer Grundparadigmen! Alles vergeht! Wos setzt du in deine Formln ei? Host du de Zoin ausn Glückstopf, liest du de vom Gaszöhla o, oda nimmst du do Gebuatsdatn aus deina Vawauntschoft?!
(Lichtwechsel zurück)
So stell ich mir vor, daß Wissenschafter streiten. Es gibt also verschiedene Theorien darüber, wie´s endgültig ausgeht, mir ist ja die Version mit dem winzigen Punkt - wer will, kann jetzt "Singularität" dazwischenrufen - am sympathischsten, weil da ist dann freie Platzwahl, weil wenn das Universum auf einen einzigen Punkt zusammengestaucht ist, das sieht man von der hintersten Reihe genausogut, wie von ganz vorne. Das mit der Sonne ist aber fix, das ist ausgemacht. Es gibt ein stellares Ablaufdatum,da hilft dann auch kein Umpacken mehr, oder, daß man so Sachen draufschreibt, wie "Prima Letschogemüse!" die ist dann eben hin. Ja, und das Sterben. Das war wahrscheinlich ein bisserl ungeschickt von mir "Ich werde sterben, und Sie werden sterben" , das wirft so ein bisserl einen Schatten, es hilft wahrscheinlich auch nix, wenn ich jetzt sag´ "Nein, Sie werdn eh net sterben!", Das hilft nix. Aber man kann sich auf den Tod vorbereiten, am Abend das Licht früher abschalten, oder in der Früh ein bisserl länger liegenbleiben oder so, man kann sich auf den Tod vorbereiten, aber man muß nicht, also Sie müssen jetzt keine Angst haben, daß, wenn Sie sich auf den Tod nicht vorbereitet haben, daß Sie nach dem Sterben nur scheintot sind, oder bei Athletico Abgang auf dem Reservebankerl sitzen, vom Resultat her kann man da nichts falsch machen. Wer will, kann damit rechnen, wiedergeboren zu werden. Das geht ganz einfach, man rechnet eben damit, wiedergeboren zu werden. Man sagt sich: " Es ist der Mensch nur eine Hülle und klebt außen an der Fülle!" Und irgendwann ist diese Hülle durch täglichen Gebrauch eben verschlissen und unbrauchbar geworden, und die Fülle, nämlich die Seele steigt in eine Warteschleife und wird dann wiedergeboren. Es gibt ja Menschen, die behaupten, die Seele sucht sich dann aus, wo sie wiedergeboren wird. Ich kenn´ so ein paar, die sagen: " Jede Seele kommt dort wieder zur Welt, wo sie sich´s ausgesucht hat!" Die fahren im Urlaub immer in Hungergebiete und suchen sich dort dann das allererbärmlichste Kind aus, dann stell´n sie sich im Halbkreis vor dem Kind auf und sagen : " Du bist ein fester Trottl!" . Für einen Kurzurlaub oder ein verlängertes Wochenende fahrn´s in ein Frauenhaus. "Der Tod ist nichts Endültiges!" sagen ja viele. "Der Tod ist nichts Endgültiges!" , Na, fein, dann ist Haarausfall das einzige endgültige Ereignis im Menschenleben. Das kann man, glaub´ ich verkraften. Haarausfall ist ja auch kein Elementarereignis. Bei den menschlichen Elementarereignissen - also Geburt, Gattenwahl, und Tod - kommt zur Nachbearbeitung immer die gesamte Verwandtschaft zusammen, unter der Schirmherrschaft der ortsansässigen Religion. Und dafür ist Haarausfall auch ein bißchen zu schleichend. Außerdem gibt es, glaub´ ich, in keiner Religion ein extra Sakrament für Haarausfall. "Letzte Ölung" hab´ ich mich erkundigt, hat nichts damit zu tun, daß Pomade ab heute nicht mehr nötig ist. "Letzte Ölung" das ist ..... schade fast wären wir jetzt dem Tode entronnen, jetzt hätten wir fast die Kurve gekriegt, und schon wieder grinst der Sensenmichl um´s Eck. Wahrscheinlich bekommen Sie Jetzt den Eindruck, ich wäre todessehnsüchtig, das stimmt aber gar nicht, im Gegenteil, ich leb´ ausgesprochen gern. Wirklich. Ich könnt´ oft stundenlang so ......also auch im Kontakt mit anderen Menschen. Das war ja nicht immer so, ich war früher eher ein verschlossener Mensch, zwischen achtzehn und einundzwanzig Jahren hab´ ich zum Beispiel überhaupt nicht gesprochen, mein einziger Kontakt zur Außenwelt war Briefschach. Mehr Kommunikation, hab´ ich geglaubt, muß nicht sein. Und bei diesen Briefschachpartien bin ich an einen Psychotherapeuten geraten, mit dem hab´ ich dann ungefähr zehn Partien gespielt, und dieser Psychotherapeut war ein leidenschaftlicher Briefeschreiber, ein mittelmäßiger Schachspieler und ein ganz schlechter Verlierer. Und er hat mir dann in einem Brief geraten, daß ich das mit dem Briefschach bleiben laß´ und ich mich dem Leben stellen soll. Ich hab mir gedacht: "Gut, der ist Psychotherapeut, der wird sich mit so Sachen auskennen, fang´ ich am besten gleich an." Und ich hab´ ihm einen Brief geschrieben, mein erster Brief, in dem nicht nur "Läufer E4" oder sowas steht, in dem Brief hab´ ich ihm geschrieben, daß er wahrscheinlich recht hat, und daß ich mich jetzt dem Leben stellen will. Und daraufhin hat er mir eine Rechnung geschickt, über 4000,- Beratungshonorar. Ich hab das bezahlt, weil ich mir gedacht hab´ , da hab´ ich gleich was ganz wichtiges gelernt, nämlich: Schlechte Verlierer sind auch schlechte Gewinner. Stell´ ich mich also dem Leben. - Also hier, jetzt stelle ich mich natürlich nicht dem Leben, jetzt tu ich nur so, als ob. Das wäre ja ziemlich unprofessionell, wenn ich auf die Bühne geh´ und nicht die Kontrolle über den Ablauf habe, das wär´ Ihnen, glaub´ ich, gar nicht recht, wenn ich Ihnen jetzt wirklich etwas vorlebe. Nein, ich bastle eine kleine Laborsituation Leben, und ich werde versuchen, es so aussehen zu lassen, als hätte das mit mir und mit Ihnen zu tun. Und ich werde versuchen, Ihnen das Gefühl zu geben, als würde ich dasselbe nicht morgen irgendeinem anderen Publikum genauso erzählen. Ich denke, Sie haben ein Recht darauf, als etwas Besonderes behandelt zu werden. Dieses Recht hat das morgige Publikum auch. Dieses Recht hat jeder. Jeder hat das Recht als etwas Besonderes behandelt zu werden. Das macht den Begriff des Besonderen natürlich ein bißchen schwammig, aber in dieser Laborsituation kann man so eine kleine Unschärfe schon berücksichtigen. Ich muß allerdings einräumen, daß es abgesehen von der Schwierigkeit, eine quasimetasprachliche Geschichte zumindest halbwegs glaubwürdig und nachvollziehbar auf die Bühne zu stellen nicht eben einfach ist, aber das läßt sich mit genügend Konzentration bewerkstelligen, für mich eine weitere Herausforderung heute Abend gibt; nämlich: ich weiß nicht, warum Sie hier sind. Also, ich freu´ mich, daß Sie hier sind, aber was genau Sie dazu bewogen hat, sich heute mich anzuschauen, kann ich eigentlich nur vermuten. Es hätte jetzt auch keinen Sinn, wenn Sie´s mir zurufen, weil das Programm ist schon geschrieben. Wenn Sie meine Vermutung, was Sie von mir sehen wollen, jetzt korrigieren, so ändert das am Ablauf des Programms gar nichts. Ich vermute jetzt einmal, also einfach so, Sie möchten sich vielleicht berühren lassen; Das ist ja auch gar nicht so abwegig, daß, wenn man in eine Kleinkunstveranstaltung geht, daß man sich emotional ein bisserl erwischen lassen möchte, daß man sich sagt: "Nein, heute keine Kognotionsakrobatik, heute keine gnoseogenen Grenzlastübungen, heut´ möchte ich ein bisserl was fürs Herz, heut´ möchte ich mich berühren lassen." Das kann ja sein, daß Sie sich berühren lassen wollen. Das kann ja etwas sehr Schönes sein, berührt werden. Das kann ja sehr schön sein, wenn das Herzspitzerl so schwer wird, und warm, wie wenn´s jemand halten tät, und der Hals wird innen so schwer, und der Kopf rutscht so ein bißl ins G´nack, nicht so arg wie bei Nasenbluten, nur so ein bißl, und man schaut so - weit, und man möchte eigentlich nur ganz normal atmen, und man bemerkt, daß man gar nichts dagegen tun kann und es eigentlich auch gar nicht will, daß dieser Atemzug ein luftballongroßer Seufzer wird, aber das macht nichts, weil jeder da hat so einen Ballon über sich hängen, und hinterm Herz ist so ein wattiges Gefühl, so wie ein kleiner, sehr weicher Polster, der ist da hinterm Herz, und lehnt sich so von hinten dem Herz auf die Schultern, ein bisserl schwer, aber angenehm, und Erinnerungen kommen auf einmal wieder so Erlebnisse, und es ist nicht so sehr das Erlebnis, woran man sich erinnert, es ist vor allem das Gefühl, das mit diesem Erlebnis verbunden ist, woran man sich erinnert; erst dieses Gefühl macht dieses Erlebnis zu einer Erinnerung, dieses Gefühl, da möchte man gern noch einmal hin, einmal, und heute, glaub´ ich würd´ ich´s besser machen. - Berührt werden eben, das kann sehr schön sein, aber ich kann das leider nicht. Der einzige Mensch, den ich berührt hab´ und da kann ich nix dafür, ist mein Zahnarzt. Der war ja früher ein eiskalter Mensch. Das war bei meinem ersten Termin, ich setz mich hin, er schaut mir in den Mund und sagt: "Super!", dann telephoniert er - vor mir - mit seinem Vermögensberater und sagt, es ist jetzt also alles ganz anders, und er ist bei, weiß ich nicht, irgendeinem Dachgeschoßausbau dabei und dann hat er noch sehr gelacht über "Goldgrube". Also wirklich ein eiskalter Mensch. Aber sehr geschickt; Er hat mir nämlich gesagt, er verrechnet mir die Spritzen zwar, aber ich brauch´ sie nicht nehmen; gut, es war Vormittag, und da bin ich an sich noch nicht so auf Trab, aber trotzdem, er hat das mit den Spritzen so gut gebracht, daß ich ihm noch gesagt hab´, das ist aber sehr nett von ihm, daß ich die Spritzen nicht nehmen muß. Er hat dann links unten zum Bohren angefangen, und war noch gut aufgelegt, er wollt mit mir über Dachgeschoßausbauten reden, aber dazu hätt´ ich ihm so und so nix Gescheites sagen können. Und irgend wie hat er dann doch einen Nerv erwischt, der noch nicht tot war, naja, also großer Schmerz, und ich hab´ mir noch gedacht, wenn ich schon keine Spritzen nehm´, dann laß´ ich mir auch nix anmerken, und es war eben Vormittag, er wickelt einen gesunden Nerv um den Bohrer, und ich denk´ mir : Zähn´d z´saummbeiß´n! Jetzt dürft ich ihm dabei auch noch in den Finger gebissen habe, jedenfalls ist er sehr erschrocken und hat gezuckt. Ich bild´ mir ein, ich hab eh so ein Geräusch gehört, also der Bohrkopf war abgebrochen. Er ist sehr nervös geworden, ich wollt´ noch sagen, ich zahl ihm den Bohrer, aber ich glaub´, es war nicht wirklich verständlich, er wollte den Bohrkopf wiederhaben, aber er hat ihn nicht gleich gefunden, weil er so gezuckt hat, jetzt haben wir ein Zahnröntgen machen müssen, damit wir überhaupt wissen, wo der Bohrkopf steckt, dann hat er mir den Bohrkopf gezogen, er hat aber nicht das richtige Werkzeug dafür gehabt, jetzt hat er sich dafür entschuldigt, daß er so improvisieren muß, das war ihm alles sehr peinlich, ich hab dann an die Spritzen auch nicht mehr gedacht, er ist dann während der Operation immer blasser geworden, stündlich kann man sagen, mit den anderen Patienten war er richtig ungehalten, wenn die ´reing´schaut habe, hat er´s ang´schrien. Alles in allem war das für uns beide noch ein irrsinnig intensiver Nachmittag und eine sehr starke Erfahrung, und irgendwie, glaub´ ich hat ihn das verändert. Also, jetzt, wenn ich zu ihm geh´ setzt er mich oft nur hin, macht mir den Mund auf, schaut hinein, geht zum Bücherregal, nimmt ein Buch von irgendeinem skandinavischen Philosophen heraus, und liest mir ´was vor über die Vergänglichkeit. - Was aus dem Dachgeschoßausbau geworden ist, hab ich ihn nie gefragt.- Also den hab´ ich, glaub´ ich wirklich berührt, aber das ist eher passiert, das hab´ ich eigentlich gar nicht beabsichtigt. - Bewußt und geplant jemanden berühren, kann ich gar nicht, so mich vor jemanden hinzustellen und zu sagen : "Ha! So, jetzt berühr´ ich dich aber!" Naja, das wär´ für mich wahrscheinlich schon in der Art und Weise zu emotional, so emotional bin ich nämlich gar nicht, ich würde wahrscheinlich sagen: "Bereiten Sie sich respektive Ihr Gefühlsaggregat auf emotionale Lastwechsel vor." Naja, das holpert ein bißchen, so kann man eben niemand berühren. Ich bin eben kein Gefühlsmensch, irgendwie bin ich der Mensch ohne Unterleib, und in dem Fall beginnt der Unterleib bei den Augenbrauen. - Wirklich. Mein eigentliches Ich ist nur hier ( Geste - Hirn ), bis hier ( Geste - Hals ), das ist, damit das, was oben ´rauswill, auch ´rauskann, das ist so eine Art Überlaufventil, und ab hier (Geste - Hals abwärts ), das ist, damit, solange das Universum seine momentane Form behält, die hinteren Reihen mich auch sehen. Im Grunde ist es mir sogar ganz recht, daß ich niemand berühren kann, weil ich glaube, daß sich damit schon eine ziemliche Verantwortung verbindet. Irgendwie hab´ ich da so eine chirurgische Vorstellung; zwei Menschen stehen einander gegenüber, der eine sagt: "Mach´ die Augen zu." , nimmt dem andern langsam das Herz heraus ( Geste ) und hält es, und dann ............ ( Geste - ratlos, entspannt, fadisiert ) "Jo, ......äh ......... pfffff ....." ( Geste - lieblos wieder zurückstopfen, Hände abwischen ). Es gehört zu den jämmerlichen Wahrheiten des Lebens, daß man sich die Hose irgendwann wieder ´raufziehen muß. Das hängt dann ein bisserl durch, wenn man da Abschlußschwächen hat, beim Berühren, und bei meinen Startschwierigkeiten - "Bereiten Sie sich respektive Ihr Gefühlsaggregat auf emotionale Lastwechsel vor!" - bin ich eigentlich ganz froh, daß ich das nicht kann.. - Auf der andern Seite würd´ ich das eigentlich schon ganz gern einmal machen, - so ins Weiche greifen, - würd´ ich schon ganz gern. ( Habitus wie : nämlich! Also: - Aber sympathisch ) Ich gehe jetzt einfach einmal davon aus, daß Sie sich auf emotionale Lastwechsel eingerichtet haben, eine kleine berührende Szene werden Sie mir vielleicht gestatten, keine große Oper, nichts dramatisches, nur so, ein bißchen, ich habe mir gedacht, ein kleiner Bub, der sagt ( Schwacher, aber harter Lichtwechsel )
BUB: Darf ich bitte auch einen Witz erzählen, der ist total lustig! ( Lichtwechsel zurück )
ICH: Ich hab´ mir gedacht, das wäre berührend. Vor allem Kinder, wenn sie nur aus Wollen und Lachen bestehen, das ist etwas, was mich zum Beispiel sehr berührt. Aber gut ich gebe zu, daß das bei Ihnen jetzt wahrscheinlich die Gefühle nicht so wahnsinnig ins Taumeln bringt, Sie wissen von dem Buben ja eigentlich nichts, Sie wissen nur, daß er einen Witz erzählen möchte. ( Lichtwechsel wie vorher, nur noch schwächer )
BUB: Ja, der Witz ist total lustig, ( Lichtwechsel zurück )
ICH: Über die Lebensumstände von dem Buben wissen Sie zum Beispiel nichts ( Ein Hauch von dem vorigen Lichtwechsel, so , Daß man unbemerkt währen der folgenden Szene zurückfaden kann. )
VATER ( Plattfüße, aber kein Dolm ): Entschuidign´s, daß i stör´, i möcht´ Sie nur ersuchen, wenn´s geht, daß Sie meinen Sohn, den Witz erzählen lassen, Sie macherten ihm damit a Riesenfreud.
ICH: Das ist zum Beispiel schon recht berührend; ein Vater, der sich für sein Kind einsetzt, noch dazu, ohne, daß man sich dafür genieren muß. Entweder man hat so etwas gehabt als Kind, oder eben nicht, in jedem Fall empfindet man ´was dabei.
VATER: Entschuidign´S nu amoi, es is nur, wäu da Willi muaß daun schön laugsaum ins Bett, es is nua ob´sa se nu auszoit, daß ma woatn, oder ob,.....
ICH ( zum VATER ): Neinnein, wir arbeiten genau darauf hin.
VATER ( sichtlich erleichtert ): Na, fein!, wissn´S, er hot si scho so drauf g´freut, und er hot den gaunzn Nochmittog den Witz g´übt, oiso, zuerst hat er ( wie "Natürlich!", aber nicht oasch )die Hausaufgaben g´mocht, und die Fisch hot er g´füttert, - er hot si nämlich zum Geburtstog a Aquarium g´wunschn (Vertraulich ) mir woa des eh recht, wäu so a Viech lebt jo a net ewig und waun so a Fisch stirbt, des is fia so a Kind sicher a traurig, oba i glaub, es is laung net so schlimm, wia waun a Viech stirbt, des des Kind johrelaung g´streichlt hot. - ......Jössasna, des woa jetzt, glaub´ i, goa net guat von mir, net?, Sie moch´n do an g´spaßign Obmd, und i kumm Ihna do mit de totn Viecha ,.......tschuidign,.....
ICH ( zum VATER ): Neinnein, die Leut´ wissen eh, wie´s ausgeht, außerdem machen wir gerade emotionale Lastwechsel.
VATER: Ahso, brauch i jetzt nix g´spaßiges sogn?
ICH: Nein, Sie sind nur für das Gefühl da.
VATER (leicht verlegen und verständnislos, aber fast geschmeichelt ): Aha, und .......wos moch i do, ....jetzt?
ICH: Sie bündeln das, was an Hoffnungen und Enttäuschungen bei den Zuschauern noch übriggeblieben ist und noch so ein bisserl arbeitet, also die Hoffnungen und Enttäuschungen bezüglich der Eltern oder sonstwie absolutionsfähger Instanzen.
VATER: Aha .....................
ICH: Das klingt jetzt wahrscheinlich ein bißchen akademisch, aber das ist auch die quasimetasprachliche Komponente, damit haben Sie eigentlich gar nix zu tun. Sie sind einfach Sie selber.
VATER: Nojo, wer denn sonst?
ICH: Schau´n Sie, für Spitzfindigkeiten ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, außerdem verlieren wir ein bißchen den Faden. Sei´n Sie einfach Sie selber!
VATER: Hean´S, des klingt a bißl noch Zeigefingerkabarett - "Sei´n Sie einfach Sie selber!"
ICH: Naja, Herr .......... (fragend, - nicht oasch )wie heißen Sie eigentlich?
VATER: Hamma no nix ausg´mocht.
ICH: Aha, und was g´fallert Ihnen?
VATER: I hob ma gedocht : Pfannzelter.
ICH: Aha, naja, aber wenn Sie an Ihren Buben denken, wie wird der dann in der Schule heißen? - Pfanni ?
VATER: Aso! Jo. Haum´S recht!
ICH: Ich mach´ Ihnen einen Vorschlag. Sie überlegen sich einen Namen, und ich möcht´ derweil eh ´was loswerden über´s Zeigefingerkabarett. (ins Publikum ansetzen, dann doch wieder zum VATER ) und, Herr ...... wenn ich Ihnen einen Tip geben darf, keinen Namen so wie Treubeseytsreuthner, das ist, wenn man Formulare ausfüllen muß, die Hölle, - eher ´was kurzes, ihr Bub wird es ihnen danken.
VATER: Jo, is guat.
ICH (ins Publikum ): Zeigefingerkabarett. - Ich mein´, wann haben Sie das letzte mal Zeigefingerkabarett gesehen? Also, ich würde ja ganz gerne, einmal zumindest, ganz kurz, so einen Zeigefinger schwingen, wie einen besoffenen Maibaum, und so Sachen sagen wie - was weiß ich - : " Der Mensch braucht Regeln!", das stimmt sogar, das müssen keine Gesetze sein, aber Regeln hat man schon ganz gern. Vor allem in Ausnahmesituationen hat man das ganz gern, wenn´s Regeln gibt. Zum Beispiel am Berg, in die Berg´, da gibt es fixe Regeln: - Über tausend Meter Seehöhe sind alle per Du, und über zweitausend Meter wäscht man sich nicht mehr! Das sind so die Regeln in die Berg´; da hört man dann in höhergelegenen Schutzhütten im Matratzenlager Sätze wie "Geh´, Herr Stremmer, sei doch bitte so gut und fahr morgen mit der Seilbahn in die Talstation und wasch´ dich wider einmal, du böcklst schon wie eine Mannschaftsbaracke." Da werden die Regeln eingehalten. Soweit also mein kleiner Ausflug ins Zeigefingerkabarett. (zum VATER ) So, wie schauma aus, Herr ......
VATER: Eder.
ICH: Eder. - Na, gut, ich hätt´ mir vielleicht ein bißl ´was , weiß ich nicht, - bissiges vorgestellt.
VATER: Sowas wie Rex?
ICH: Herr Eder, die Witze hier mach´ ich.
VATER: Und mein Sohn. Also einen.
ICH: Ist richtig. ( auffordernder Blick zum BUB )
BUB: Oje, ich glaub´ jetzt hab´ ich den Witz vergessen! ....... Haha, is nur ein Spaß, ich weiß eh noch wie er geht.
ICH: Das ist zum Beispiel, glaube ich auch eine Methode, wie man Menschen am Gefühl erwischt, wenn ich Sie jetzt zum Beispiel auf einen Witz warten lasse, der nie kommt. ( hoffentlich Publikumsreaktion ) Neinnein, der kommt eh, ich wollt nur ein bisserl emotional Zwischengas geben.
VATER: Jo, des wär´ schon wichtig, weil ich will nicht, daß sich der Willi kränkt, weil man weiß ja nicht, was so eine einzige Enttäuschung für Folgen haben kann.
ICH (zum VATER ): Das spricht sehr für Sie, Herr Eder, daß Sie Ihrem Sohn Enttäuschungen ersparen wollen, aber am großen Ablauf wird das nix ändern; in einenthalb Stunden ist Ihr Sohn ende dreißig und hat nacheinander zwei Beziehungen ziemlich jammervoll in den Sand gesetzt.
VATER (zum BUB ): Willi! ( zu mir ) Wie ist das passiert?
ICH: Ich hab´s so geschrieben.
VATER: Und da kann man nix machen, ich mein´ das ist die Zukunft von meinem Sohn, da muß man doch ´was machen können!
ICH: Ich habe es aber so geschrieben; was Sie gerade verändern wollen, ist nicht die hypothetische Zukunft von Ihrem Sohn, was Sie gerade verändern wollen, ist meine literarische Vergangenheit. - Ich glaube, Sie lesen zu viele Science Fiction-Romane.
VATER: Eigentlich nicht, ich denk´ mir nur, vom G´fühl her, ..... irgendwie .......und warum zwei Beziehungen hintereinander?
ICH: Die erste Beziehung zerbricht, weil Ihr Sohn zu trinken beginnt.
VATER ( blickt sehr beunruhigt zu BUB und dann zu mir )
ICH: Da ist es wurscht, ob er Pfannzelter, Eder oder Rex heißt, manchmal beginnen Menschen zu trinken.
VATER: Und die zweite Beziehung?
ICH: Die geht auseinander, weil Ihr Sohn zu trinken aufhört.
VATER: Hä?
ICH: Es gibt so Beziehungen, die bestehen nur, weil einer der beiden Partner ein dramatisches Problem hat, und wenn es das Problem nicht mehr gibt, gibt es das Thema und den Grund für diese Beziehung auch nicht mehr. Beziehungen sind manchmal etwas sehr, sehr eigenartiges. Aber das wissen Sie ja eh. - Nicht? Was macht eigentlich Ihre Frau?
VATER ( schweigt verlegen und überrascht von der Frage )
ICH (noch ein bißchen auf eine Antwort wartend, dann ins Publikum ): Sie können sich, wenn Sie wollen, jetzt überlegen, was mit der Frau Eder ist. Sie können sich ´was ausdenken, - ob die Frau Eder einfach nur so gerne reist, ob sie beruflich viel unterwegs ist, und eh jeden Tag anruft, oder ob es im Hause Eder eine Trennung auf Probe gibt, oder was immer Sie wollen, lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf. ( zum VATER ) Ist Ihnen das eh recht, wenn die Leute sich ´was ausdenken?
VATER (ziemlich in der Defensive, Würde bewahrend ): Najo, oiso recht is es mir nicht.
ICH: Aso! ´Tschuldigung! Aha. ( ins Publikum ) Ja, dann denken Sie sich bitte nichts aus zur Beziehung vom Herrn Eder zu seiner Frau.
VATER: Jo, bitte, des wa ma recht, wäu es is fia uns beide net leicht, und es woa a zum größtn Täu a sicher mei Schuid, .......
ICH: Ja. Is in Ordnung, ich versteh schon.
VATER: Kann der Willi jetzt vielleicht seinen Witz erzählen, weil es is schon spät, und er müßt dann bald ins Bett.
ICH: Der Willi übt gerade heute um halb vier Uhr nachmittags seinen Witz, in seinem Kinderzimmer.
VATER ( verständnislos )
ICH: Schaun´ Sie, Herr Eder, wenn ich den Willi in einenthalb Stunden um dreißig Jahre altern lassen kann, dann kann ich ihm doch genausogut auch ein Stück Zeit schenken.
VATER: Sowas können Sie?
ICH: Also nur hier, aber hier kann ich das. - Ja.
VATER: Wenn das geht, würd´ ich gern zum vierzehnten Jänner vom vorigen Jahr zurück. - Glauben Sie geht das?
ICH: Sie wollen noch einmal zurück und ´was besser machen?
VATER: Najo, des muaß i überhaupt ollas gaunz aunders mochn, vua oim derf i net lüg´n; waun i do nu amoi z´ruckkenntat ........
ICH: Na, gut, aber in der zweiten Hälfte brauch´ ich Sie wahrscheinlich wieder. Ich paß´ derweil auf den Willi auf. (ins Publikum ) So. Der Herr Eder bringt gerade seine Ehe wieder in Ordnung, und der Willi muß vielleicht nicht zum Trinken anfangen. Hundert Punkte, mehr geht nicht! Und damit der Gefühlsblock komplett ist, fehlt eigentlich nur noch dem Willi sein Witz. ( Türe zum Kinderzimmer aufmachen ) Willi!
BUB - ferner WILLI (gerade beim Üben ): Ja?
ICH: Möchtest du jetzt deinen Witz erzählen?
WILLI: Nein, ich will lieber damit warten, bis der Papa wieder da ist, der Papa hat gesagt, er muß ganz dringend wohin, und das geht sich aus, daß ich mit dem Witz wart´, bis er wieder da ist, Sie können das so machen, daß ich mit dem Witz aufm Papa wart und trotzdem noch rechtzeitig ins Bett komm´.
ICH: So, hat der Papa das gesagt?
WILLI: Mhm! (ev. Blickdialog "ich muß jetzt üben, bitte nicht stören!" )
ICH: Gut (Türe zumachen, - ins Publikum )Aber bis hierher ist der Gefühlsblock, glaub´ ich ganz gut. Irgendwie, glaub´ ich, gehört sowas einfach dazu, obwohl "Gefühlsblock" wahrscheinlich ein bisserl sperrig klingt, da gibt es sicher schönere Wörter dafür. Naja, ich selbst hab´s eben nicht so mit Gefühlen, da bin ich nicht so sattelfest, im Umgang mir Gefühlen. Also die einfachen Gefühle, mit denen kann ich halbwegs umgehen. Zum Beispiel das Gefühl, das sich einstellt, wenn man im Februar in einer ungeheizten Wohnung etwas repariert, und man drischt sich mit einem Zweikilohammer versehentlich auf den Daumen, - die Ausgangssituation ist nicht leicht herzustellen, aber der Umgang mit dem Gefühl ist eine glatte Sache; je nach Erziehung muß man sich danach den Mund mit Seife auswaschen, oder zur Beichte, aber wenn dieses Gefühl sich einstellt, weiß man instinktiv, was zu tun ist. Oder sagen wir Hungergefühl. Das ist vom Handling her ja auch nicht so ein Problem; Also beim Hungergefühl gibt es einen allgemein sanktionierten Maßnahmenkatalog, da gibt es eine kulturell und zwischen menschlich sanktionierte Vorgehensweise: Man ißt etwas, und schon ist das Gefühl weg! Und das Tolle ist, man hat gerade ein Gefühl vernichtet und muß kein schlechtes Gewissen haben, was ja gewöhnlich der Fall ist, wenn man ein Gefühl auch nur verletzt. Aber nicht nur, weil es das eigene Gefühl ist, das man da terminiert hat, das geht auch bei anderen; Wenn jemand ein Hungergefühl hat, und ich geb´ ihm ´was zu essen, dann wird dieser Mensch die Auslöschung dieses Gefühls als angenehm empfinden. - Es gibt natürlich auch Fälle, wo das nicht ganz so einfach ist: Wenn jemand abnehmen möchte und deshalb hungert, und ich stell´ ihm eine Riesenportion triefend gebackenen Butterkäse mit Majonnaisesalat hin, dann wird mir dieser Mensch vorwerfen, ich trample auf seinen Gefühlen herum. Ganz kompliziert aber sind Einladungen zum Essen. Das schaut so harmlos aus - "Wir haben ein gemeinsames Gefühl, und wissen genau, wie wir damit fertig werden." Jaja, nämlich gar nicht. Einladungen zum Essen haben immer ein sehr hohes Eskalationspotential in sich. Vor allem bei außerhäusigen Einladungen, da kommen ja oft Dinge ins Spiel, die mit der Nahrungsaufnahme nichts zu tun haben. Da muß dann der gemeinsame Verzehr von Nahrungsmitteln als Begattungsanbahnung herhalten, (fließender Lichtwechsel auf LOKAL bis "aufwirft" ) und ich glaube, es liegt in der Natur des Menschen, daß Sexualität immer eine Menge Fragen aufwirft.
Möchtest du mit mir schlafen?
Echt?!
Kann ich bitte zahlen?
Können Sie mir das auf zwei Zehner wechseln?
Wohnst du weit von hier?
Können Sie mir ein Taxi rufen?
Ist das sicher der schnellste Weg zu dir nach Haus?
Wo ist denn bei dir das Klo?
(Positionswechsel, Frau fragt )
Liebst du mich?
( harter Lichtwechsel - kaltes, enges Licht )
Jetzt: Nicht lügen! - Jetzt nur nicht lügen! - Wenn du jetzt lügst, hat sie die nächsten Jahre ein Recht auf diese Lüge. Und das stehst du nicht durch!
( Lichtwechsel - Grundlicht ) Aber das kann Ihnen der Herr Eder bestimmt genauer erzählen. Ich weiß ja nicht, ob der Her Eder darüber etwas erzählen möchte, aber da es diesen Herrn Eder, im Moment zumindest, ja nur gibt, weil Sie glauben, daß es ihn gibt, und das Privatleben des Herrn Eder ja auch nur aus Ihren Vorstellungen darüber besteht, wird es ihm vielleicht sogar ganz recht sein, wenn er Ihre Vorstellungen über sein Privatleben in gewisse Bahnen lenken kann. Sie überlegen wahrscheinlich eh gerade, wie ein Typ, wie der Herr Eder in so eine verhängnisvolle Affäre geraten kann; Ob das der außerplanmäßige Abschluß von einem Betriebsausflug war, oder ob das im Fasching passiert ist, - als was der Herr Eder wohl im Fasching geht? Der Herr Eder macht ja einen recht vernünftigen Eindruck, - ob da Alkohol im Spiel war? Das sind ja alles berechtigte Überlegungen.
(zum VATER ) Herr Eder, wie schaut´s aus, wollen Sie .......
VATER (komplett überrascht, abnehmend betrunken, sich überhaupt nicht auskennend ) Jo, äh, i waß net, wos, .....i hob ma extra vuagnumman, daß i nix trink´, und auf amoi is ollas gaunz durchanaunda, ( haucht sich in die hohle Hand ) no seawas, so wird des nix! Außerdem
ICH( zum VATER ) Aha, ich kenn´ mich aus. - Herr Eder. Es wird für Sie bedeutend einfacher, wenn Sie jetzt darüber reden.
VATER: Brauchn´S scho wider a Stichwort für´s Zeigefingerkabarett?
ICH: Es freut mich, daß ich Ihren Sinn für Humor nicht verloren habe, Herr Eder, aber es ist jetzt so, wir alle hoffen, daß Sie an diesem Abend, ...... es war doch ein Abend?
VATER: Na, es woa a Nochmittog; I hob an dem Tog kurze Schicht g´hobt, und da Grantner hot Geburtstog g´hobt, und die Sabine, oiso das Fräulein Sattmann hot an dem Tog aa Frühschluß g´hobt. Und i bin oiso wieder an dem Tog im Büro, und nimm´ ma nu extra vua, daß i desmoi nix trink, .... und auf amoi mocht´s an Schnoiza, und i sitz´ komplett auxoffm in an Cowboykostüm bei an Heirichn bei da Glenn Close am Schoß. - Oiso, i waß net, haum Sie des g´schriebm?!
ICH: Schau´n Sie, Herr Eder, das ist im Moment nicht so entscheidend, wichtig ist, daß wir uns jetzt etwas vorstellen können. - Wenn Sie wollen, können Sie jetzt wieder zurück, und ganz normal .....
VATER: Oba net zum Heirichn, des is peinlich, im Cowboykostüm!
ICH: Neinnein, in Ihr Büro, kein Cowboykostüm, kein Rausch.
VATER ( im Gehen ): Sicher?
ICH: Versprochen. ( Abschiedsgeste zum VATER, dann ins Publikum ) Cowboykostüm! - Ich will ja jetzt gar nicht wissen, wer das war. Ein erwachsener Mann! Aber bitte stellen Sie sich jetzt kein anderes Kostüm vor, Sie haben ja gerade gehört, es war nicht Fasching. Sie kennen jetzt die Rahmenbedingungen und Sie können sich jetzt denken, wie´s ausgeht, also nicht endgültig, sondern dieses kleine Intermezzo vom Herrn Eder. - Da muß ich jetzt nicht den angesoffenen Herrn Grantner mit seinem traurigen Geburtstagsrausch und die um geweckte Hoffnungen betrogene Sabine Sattmann mitsamt dem furchtbaren Büro als kleine Spielszene auf die Bühne holen, das können Sie sich jetzt alles lebhaft vorstellen. Es ist vielleicht sogar besser, wenn Sie sich das vorstellen. Ich sag´ Ihnen grob, was los ist, und Sie stellen sich vor, wie das genau ausschaut. Im allgemeinen funktioniert so etwas auf Bühnen sehr gut. Also, wenn ich als Zuschauer im Theater sitz´, und es betritt jemand die Bühne und sagt ( gespielt ) "Draußen tobt ein Krieg!", dann bin ich bereit, ihm das zu glauben. Ich wäre als Zuschauer schlecht beraten, wenn ich mir denk´ "Also, draußen gibt´s wenig Parkplätze, und das Buffet könnt ein bißl reichhaltiger sein, aber Krieg!? - Wär´ mir aufgefallen!" Das ist eben eine Bühne, und wenn da jemand sagt ( gespielt ) : "Draußen tobt ein Krieg!", dann wird´ ich ihm glauben, daß er geradewegs vom Schlachtgetümmel kommt. - Wenn aber im nächsten Moment ein Requisiteur hinter der Bühne ein Besteckladl umd´read haut, damit ich das Schlachtgetümmel auch wirklich glaube, dann tu ich mir ein bisserl hart damit. - Da interessiert es mich dann auch nicht mehr, daß der verräterische Oheim Ränke schmiedet, um den Thron zu stehlen, und so Sachen, weil ich mir denk´, bei der ersten Jungfrau, von der die Rede ist, bekomm´ ich ein gynäkologisches Attest unter die Nase gerieben. Und der ewig zweifelnde Großinquisitor traut sich gleich gar nicht auf die Bühne, damit man ihm den Zweifel auch wirklich glaubt. Der steht hinter irgendeinem Vorhang und weil er halt so zweifelt, beißt er sich die Fingernägel bis zum Ellenbogen ....... naja, der Großinquisitor ist wahrscheinlich auch gar kein so großer Zweifler, also der zweifelt schon, aber nicht an dem, was er vorhat und tut, sondern an dem, was man ihm sagt. - Das macht Gespräche mit der Inquisition auch so unerfreulich und mühsam. - Nein, hinterm Vorhang steht der ewig zweifelnde ....... Installateur? Naja, der wird beim Ränkespiel um den Königsthron vermutlich keine so entscheidende Rolle spielen. - Hinterm Vorhang steht der ewig zweifelnde ...... Prinz? Ist auch nicht gut, das schaut dann aus wie Hamlet. Nein, es ist ein blinder Seher, nein, gibt´s auch schon, - oder noch besser ein stummer Seher. Genau! Hinterm Vorhang steht ein ewig zweifelnder stummer Seher, der weiß alles und überlegt sich gerade, wie er eine Kurzfassung von einer Intrige, die seit vier Generationen betrieben wird, und in die drei Königshäuser verwickelt sind, in Gebärdensprache erklärt; damit die Königstochter, die liebreizende Prinzessin Consuela von ihrem berechtigten Thronanspruch erfährt. Dieweilen ihr Vater nämlich, König Ewald, seit einem Jagdunfall vor siebzehn Jahren mit dem Beinamen "der Lendenlahme" versehen, nicht der leibliche Vater ihres jüngeren Bruders Prinz Kurt, genannt der Wunderliche ist, was aber nur zwei Personen wissen; der stumme Seher selbst und der, von einem, bei einem verfeindeten Königshaus in tiefer Schuld stehenden, Fürstenhaus entsandte Erzeuger dieses morganatischen Balgs. Seit dem ersten positiven Schwangerschaftstest siecht dieser leibliche Vater von Prinz Kurt jedoch in bitterer Einzelhaft dahin und nölt in seinem Verließ düstere Arien vor sich her. Die Königin selbst wüßte es natürlich auch, aber die hat dieses kompromittierende Geheimnis mit ins frühe Grab genommen. Die Macht König Ewalds ist im Sinken begriffen; sein Koch schickt ihn einkaufen, und die Kaufleute machen sich einen Spaß daraus, ihn ohne Wechselgeld heimzuschicken, wofür er vom Koch auch regelmäßig Schläge bekommt und ohne Nachtmahl ins Bett muß. Prinz Kurt der Wunderliche ist nicht in der Lage, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, er hält sich außerhalb der Essenszeiten immer vor dem Verließ des Schlosses auf und nölt zweite Stimme zu düsteren Arien, die aus dem Kerker dringen. Diesen Zustand der Schwäche nützt nun jenes verfeindete Königshaus aus, das den unglücklichen Fürstensproß gedungen hat, König Ewald und Königin Erika das Kuckuksei ins Nest zu legen, und sendet seine Truppen los, das führungslos umhertreibende Land zu erobern. Da tritt der Großinquisitor auf den verruchten Plan; er, der von König Ewalds Vater dereinst als Findelkind wie ein Sohn großgezogen wurde, hat den stummen Seher in der Nacht beobachtet - der stumme Seher deutet nämlich im Schlaf - und so erfahren, daß er in Wahrheit nicht der Oheim von Prinz Kurt dem Wunderlichen ist, sondern als Angehöriger eben jenes dritten Königshauses Vollstrecker einer blutigen Rache, die irgendetwas mit Flächenumwidmungsplänen im Grenzland zu tun hat. Ist in Gebärdensprache auch ein bißl schwer. Ich habe einmal eine Inszenierung davon gesehen, in der war der stumme Seher als sehr entschlossener Mensch angelegt, aber das hat der Prinzessin Consuela auch nicht zum Thron verholfen, weil die war in der Inszenierung blind.
( kurzer, sehr flüchtiger Blick auf die Uhr ) Es ist jetzt bald Pause. Wer will kann jetzt auf seine Uhr schauen, so als ob auf seiner Uhr irgendwo "Pause" stünde, so etwas beeindruckt den Sitznachbarn ungemein, der hat nämlich sicher keine Uhr mit einer Uhrzeit, die "Pause" heißt. Aber es gibt noch andere Gründe, warum so eine Pause so eine besonders feine Sache ist; die Gastronomie freut sich, die Durstigen freu´n sich, und die Blasenschwachen fiebern Augenblicken entgegen, für die das Wort "Freude" ein zu geringes ist. Und noch etwas passiert in der Pause; nämlich: in gewisser Weise bleibt die Zeit stehen. Die Zeit, die wir miteinander verbringen, hält in ihrem Vergehen inne. Wenn ich nämlich keine Pause mach´, ist der Abend um die nicht gemachte Pause kürzer, und die Zeit um eben diese nicht gemachte Pause schneller vergangen. Das wäre an sich eine ganz gute Einleitung für eine Pause, so, wenn ich Ihnen jetzt noch sagen würde : "So, und jetzt schenk´ ich Ihnen Glatt zwanzig Minuten Zeit!", Aber es ist noch ein bisserl früh dafür. Nach einer ersten Hälfte voller emotionaler Lastwechsel sollte die Pause auch irgendwie dementsprechend eingeleitet werden. Vermutlich werden die Blasenschwachen unter Ihnen jetzt panisch den Autopiloten wieder einschalten, aber so viel Zeit muß sein. - Sag´ ich einmal. Schön wäre jetzt zum Beispiel ein Lied. - Dramaturgisch inkonsequent, und ich spiel´ auch keines, aber schön wär´ es schon. Irgend so ein wirklich schönes Lied in einem guten amerikanischen Arrangement. Die Amerikaner, die können sowas arrangieren. So eine kleine Klaviereinleitung, und jemand mit einer vorerst gar nicht so aufregenden Stimme singt mit einer Beiläufigkeit, wie sie nur die Amerikaner können, eine schöne, klare Melodie. - Wenn Sänger unseres Kulturkreises diese Beiläufigkeit nachmachen, dann wird das entweder ganz korrekt beiläufig, oder sie singen einfach falsch, und das mit einer Attitüde, als würden sie beim Singen gerade den Aushub der letzten Nasenbohrung einer Elastizitätsprüfung unterziehen. Aber so ein Lied mein´ ich jetzt nicht. Ich mein so ein großes Lied, wo nicht der Gesang den Sänger gut ausschauen läßt, sondern der Sänger das Lied. So ein Lied mein´ ich, mit einer Melodie, die scheinbar nicht aufhören will, obwohl eigentlich nur drei oder vier Töne, die in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen, von einer Harmonie in die nächste gehoben werden, und in jeder Harmonie verändert sich das Verhältnis der Töne zueinander ein bißchen. Und in der Melodie gibt es keine Verzierungen und keine Floskeln, nur das Verhältnis der Töne zueinander macht die Melodie. Und zu einem sehr richtigen Zeitpunkt ist die Melodie dann wieder heimgekommen und ruht zwei Takte lang an ihrem Ausgangspunkt. Und bei der nächsten Runde durch die uns mittlerweile bekannten Harmonien geht die Melodie wieder geduldig und klar durch alle Stufen einer richtigen und schönen Entwicklung. Die Stimme, die diese Melodie singt, ist um dieses kleine bißchen bestimmter, daß einem erst gegen Ende der zweiten Strophe auffällt, daß irgendwann andere Instrumente begonnen haben mitzuspielen. Am Ende der zweiten Strophe kommt die Melodie zwar daheim vorbei, aber sie geht nicht wieder ruhen; Ein in dem Lied neuer , von Saxophonen und Posaunen gespielter Akkord hebt die Melodie in eine neue, spannende Umgebung. Die Harmonien führen unsere Melodie jetzt in einem sehr großen Umweg wieder dorthin, wo sie sich zum erstenmal ausgeruht hat, und man weiß, daß wir bei der nächsten Runde diesen Umweg wieder nehmen werden, und auf diesem großen Bogen gibt es noch eine Abzweigung zu einem Höhepunkt und da gehen wir in der nächsten Strophe hinein, da stellen die Trompeten die Weichen, und niemand fragt sich, wann denn eigentlich die vierzig Streicher begonnen haben zu spielen, man freut sich einfach, wie die Melodie auf diesem Luftkissen tanzt, wie stark und richtig sie scheinbar ein ganzes Orchester führt. Dann kommt die Melodie nach dem ersten Höhepunkt wieder heim, und in das Lied ist vorläufig wieder Ruhe eingekehrt. Aber alle wissen, daß die Trompeten die strahlendsten Akkorde noch nicht gespielt haben, und auch wenn die vierzig Streicher in dieser Strophe nichts spielen, sie sind jetzt da, und schon alleine dadurch wird die letzte Strophe vor dem endgültigen Höhepunkt wahnsinnig breit und flächig. Mit dieser letzten Strophe nimmt sich das Lied scheinbar mehr Zeit. - Das kommt jetzt noch einmal butterweich aus dem unteren Drehzahlbereich, da wird fett mit den Hufen gescharrt, da gibt´s jetzt kein Auskommen, alle wissen, was die Trompeten uns noch schuldig sind, diese Strophe ist wie die wiegenden Schritte eines Weitspringers vor dem Anlauf, jetzt muß es nur noch passieren, jetzt gibt es kein Heimführen, jetzt führt alles wohin, da wird kein Umweg mehr genommen, da will alles in die Vollen. Und dann! ( bist-du-gelähmt-Geste ) - So ein Lied wär´ schön als Einleitung für diese Pause.
PAUSE
Ich sollte jetzt zu Beginn der zweiten Hälfte, um Ihre Aufmerksamkeit wieder sachte auf die Bühne zu lenken und Ihre Gedanken behutsam aus den Pausengesprächen herauszulocken und mir zuzuwenden, so ein paar nette Belanglosigkeiten dahinplaudern - wie : Gott schläft, wenn der Teufel ´was getrunken hat! Oder : Das Ende kommt doch immer erst, wenn alles schon zu spät ist! Oder : Wenn eine gute Frage eine schlechte Antwort zur Folge hat, ist es dann besser, die Frage nicht zu stellen, oder genügt es, die Antwort nicht abzuwarten? - So ein paar kleine Plaudertaschenhaftigkeiten, nur um zu signalisieren "So, ich bin jetzt wieder da, und es geht weiter." Das habe ich somit getan, und es geht eben weiter. Ich habe in der ersten Hälfte Ihre Vorstellungskraft sehr stark beansprucht, das werde ich in der zweiten Hälfte so beibehalten. Das hat ja auch ganz prima funktioniert, wenn wir von dem kleinen Ausrutscher mit dem Cowboykostüm und der Glenn Close beim Heurigen einmal absehen wollen. Aber ich möchte, daß wir die Imaginationsstufen Stück für Stück erklimmen, denn sosehr ist die Zeit in der Pause ja nun auch wieder nicht stehengeblieben, daß ich da jetzt aus dem Stand wieder drauflosbrettern könnte, und Sie mir aus dem .......Sitz gleich folgen könnten ins Reich der kühnen Behauptungen und des "Es ist zwar nix da, aber bitte stellen Sie sich vor ...."
VATER: Eder, angenehm, aber des wissen´S ja eh schon.
ICH: Herr Eder, das ist sehr spaßig, aber ich glaube, Sie haben noch etwas zu tun.
VATER: Nana, des is olles scho in Uadnung; i hob nix trunkn aun dem Tog und hob Überstundn gmocht und hob stottn Grantner weitergoabeit. Da Grantner hot si gfreit, wäu er woa eh scho ziemlich auxoffm, und hot uns dazöht, daß seit da Scheidung überhaupt niemaund mehr auf eam schaut, und de Sabine hot eam daun hambrocht, und vurige Wochn haums gheirat. I woa Trauzeuge!
ICH: Und Sie sind sicher, daß Sie nicht in einem Bauerntheater waren?
VATER: Ehrenwort, genauso is passiert. Wirklich. Vielleicht hot des a Auswirkungen aufm Willi, i man wengan Trinken, - i waß jo net, wia Sie des rechnan, oba, waun da Willi, waun de Vuastöllung aus is, ende dreißig is, daun miassat ea jetzt ( blickt auf seine Uhr ) - hean´S des is komisch, auf meiner Uhr steht "Pause vorbei", is des bei Ihnara Uhr a so?
ICH ( blicke auf meine Uhr ): Nein, aber es gibt viele solche Uhren.
VATER: No, is a wuascht, jetzt. Da Willi Miassat so a bißl über zwanzig sei. Wia is er denn beinaund?
ICH: Schauma einmal.. (zum Kinderzimmer gehend ) Willi!
WILLI (Groß [GAST aus Grundsätzliche .....] hinter mir): Jo?
ICH (verwirrt - Tür zum Kinderzimmer öffnend ): Willi?
WILLI (Klein): Ist der Papa schon da?
ICH: Das ist jetzt ein bißchen kompliziert.
WILLI (G): Kaun i iagndwie höfm?
WILLI (K): Papa, wer ist der Mann?
VATER ( zu mir ) No, bravo! Jetzt haumma in scheam auf. Sog´n Sie´s.
ICH: Äh, pff, .....bitte stellen Sie sich vor!
WILLI (G - zum kleinen Willi gehend): Servus, ich bin der Willi.
WILLI (K): Das ist lustig, ich bin auch der Willi!
VATER(zu mir - wie "im Vertrauen"): Do hot ea recht, oba richtig vastaundn hot er´s, glaub´ i, net.
ICH(Waaß-i-jetzt-aa-net-Geste)
WILLI(K - zum VATER): Papa, kann ich jetzt den Witz erzählen?
WILLI(G): Is er lustig?
WILLI(K): Der ist total lustig; Was bekommt man heraus, wenn man ein Glas Erdnußbutter mit einem Elefanten kreuzt?
WILLI(G): Ich glaub´ ich weiß es, aber sag´ du´s.
WILLI(K): Wenn man ein Glas Erdnußbutter mit einem Elefanten kreuzt, bekommt man entweder Erdnußbutter mit einem wahnsinnig guten Gedächtnis, oder einen Elefanten, der einem am Gaumen klebt!
WILLI(G): Der Witz ist wirklich lustig!
WILL(K): Gell, aber wieso hast du die Antwort schon gekannt?
VATER: Willi, es ist jetzt (blickt auf die Uhr, - wie wirklich lesend ) ......Zeit, für den kleinen Willi, ins Bett zu gehen.
WILLI(K): Haha, Papa, du sagst immer so lustige Sachen! Na, gut. Gute Nacht, Papa, ( Hände schüttelnd ) gute Nacht, Willi, gute Nacht, ( zu mir ) sind Sie ein Freund vom Willi?
ICH: Das kann man so sagen.
WILLI(K): Na, dann auch gute Nacht. ( geht in sein Zimmer ab )
ICH (hinter WILLI(K) die Türe zumachend ): Gute Nacht, Willi! ( zum VATER ) So, Herr Eder,
WILLI(G [ferner WILLI ]): Äh, wöchana jetzt?
ICH: Der Vater in dem Fall.
WILLI: Äh, Jo, bitte. (zum VATER deutend, im Sinne von "Ist klar, Sie sind dran." )
VATER: Jo?
ICH: Sie haben ja noch eine Frage.
VATER: Jo, (ein bißchen verlegen ) Willi!, .......i deaf doch "du" sogn?
WILLI: Jojo, is in Uadnung.
VATER: Es is nämlich ...... Wie geht´s dir?
WILLI: Danke, super, ois in Uadnung.
VATER: Und, ...........trinkst du?
WILLI: Na,. des is iagndwie net meins, mir wird imma schlecht auf Alkohol.
VATER (sichtlich erleichtert ): No, do bin i oba beruhigt! Oisi, net, daß da schlecht wird, oba, daß´d nix trinkst, (zu mir ) des is scho guat! - Net? Jo, daun, .........mehr wü i im Moment goa net wissen, waun´s eich nix ausmocht, i geh daun, wäu es woa fia mi heite, wia soi i sogn, a recht a turbulenta Tog, und i glaub´, es is daun Zeit fia mi, oiso, ( freundlich ) auf Wiederschaun!
ICH ( freundlich ): Auf Wiederschaun!
WILLI ( auch freundlich ): Seavas! ( längere Pause, dann zu mir ) Is jetzt aus? Des hot jetzt so klungan, wia a Schluß.
ICH: Nein; Grundsätzlich hast du recht, das wäre jetzt ein schöner Schluß, aber - ich trau mich jetzt gar nicht auf die Uhr schauen - es ist sicher noch zu früh für einen Schluß. Außerdem glaub´ ich, daß ich dir einiges erklären muß.
WILLI: Nana, i kenn mi aus. - des woa jetzt grod mei Vota, und der klane Bua, des bin i.- Is kloa.
ICH: Das ist für dich einfach so klar?
WILLI: Jojo, waßt, i woa vua zwa Joa a zeitlaung in Indien, und do siechst jo Sochn, gegn de is so a Famülientreffm des reinste Famülientreffm, hoit. Und in Indien hob i ma a wos auf da Leba eigfaungt, und deswegn vatrog i aa kann Alkohol, oba des hob i mein Votan jetzt net dazöhn woin, wäu er hot eh scho so beunruhigt dreigschaut. Jo, ........wos moch ma jetzt?
ICH ( während des folgenden Dialoges tauschen wir Figuren ): Ich hab mir ein kleines Experiment ausgedacht, das würde jetzt ganz gut passen.
WILLI ( leicht zweifelnd ): Experiment?, - bin i eigentlich abißl vuasichtig gwuadn, wäu mia haum in Indien amoi experimentelles Stroßntheater gmocht, a dramatisierte Fossung von "Spuren im Sand" es woa oba grod Monsun, ..... Oiso, Experimente, waun´s geht, nur mehr unter kontrollierten Bedingungen.
ICH: Jaja, wir sind auch in so einer Art Laborsituation, es ist wie gesagt nur ein Experiment, ich möchte nur nachschauen, ob´s funktioniert.
WILLI: Wos nämlich?
ICH: Zum Teil, ob´s funktioniert, daß wir einen Dialog führen über die Schwierigkeit, einen Dialog zu führen, der sonst kein Thema hat.
WILLI: Oiso, guat, des is a metasprochliche G´schicht, do loß i mit mir redn. Und des andere?
ICH ( ein bißchen WILLIartig ): No, des kaun i jetzt nu net sogn, oba i glaub, es funktioniert.
WILLI ( ein bißchen ICHartig, - kleiner Erkenntnisschub ): Aha, des ist ein interessantes Experiment.
ICH ( WILLIartig ): Merkst wos?
WILLI ( ICHartig ): Ja, das ist überraschend!
ICH ( W.a. ): Is lustig, gö?
WILLI ( I.a. ): Ich habe so etwas in Indien einmal beobachtet, daß zwei Menschen in einander übergegangen sind; einer ist der andere geworden, und umgekehrt. Das hat mich sehr beeindruckt!
ICH ( W.a. ):Jo, i waß:
WILLI ( I.a. ): Du warst ja gar nicht dabei!
ICH ( W.a. ): Na, oba i hob´s g´schriebm.
WILLI ( I.a. ): Aha, und was passiert jetzt? - Bleiben wir so?
ICH ( W.a. ): Mir is gaunz aungenehm! (ev. Armeschaukeln )
WILLI ( I.a. ): Und was passiert mit der Vorstellung?
ICH ( W.a, ): Wieso? Wos soi sei? Sitzn jo nu olle do?
WILLI ( I.a. ): Naja, aber irgendwer von uns beiden muß jetzt ja weiterspielen.
ICH ( W.a. ): ( ein heiteres,- nicht oasch ) Mhm! ( im Sinne von "Ja, schon, wo ist das Problem?" )
WILLI ( I.a. ): Naja, aber ich kann jetzt nicht weiterspielen, ich hab´ das Stück ja nicht geschrieben; Ich war auf einem längeren Indienaufenthalt und verheimliche meinem Vater meine, von ihm aus gesehen zukünftigen Leberprobleme. - Mehr hab´ ich nicht vorgehabt, und auf mehr bin ich auch nicht vorbereitet. - Spiel´ du weiter!
ICH ( W.a. ): Nojo, oba ois Entscheidungsträger und ois Gefühlsarmer Distanzerotiker wia i so net unbedingt glaubwürdig sei Probier´s amoi! I man siech des so: Es is a Experiment, oba es rengt zumindest net dabei. - I stö´ mi do hintare, und waun´sd wos brauchst, sogst ma´s hoit.
WILLI ( I.a. ): Na, gut. ( ins Publikum ) Ich bin also,........... bitte ersparen Sie mir, daß ich mich vorstelle, bitte nehmen Sie einfach wohlwollend zur Kenntnis, daß ich jetzt eben da bin, und erwarten Sie von mir .......... keine ........ also weiß ich jetzt auch nicht, aber Sie tun sich und mir einen großen Gefallen, wenn Sie sich, was auch immer, von mir jetzt nicht erwarten. Ja, also, vielleicht kann mir jemand in knappen Worten erzählen, was bis jetzt genau passiert ist. ( hoffentlich adäquate Publikumsreaktion ) - Sie können es auch in Gebärdensprache versuchen. - Aha, also so wird das nix; da muß ich jetzt so ins Blaue hinein, ohne Vorgaben; Sie können mir über die Geschichte, in der wir uns gerade befinden, nichts erzählen, und ich bin für mich selbst in dieser Form auch neu. Das ist für mich eine bemerkenswerte Situation. Jetzt ist auf einmal irgendwie alles offen, ein neues Spiel! Ich habe keine Einschränkungen, ich glaube, mir gefällt dieses Experiment! Ich bin vor zwei Jahren von einem sehr langen Urlaub zurückgekommen, und ich vertrage keinen Alkohol. Das ist das einzige, was fix ist; sonst kann ich jetzt alles sein und können, was ich will! Ich habe zum Beispiel mein abgebrochenes Informatikstudium abgeschlossen, und ich habe sogar Arbeit gefunden; bei einer kleinen Softwarefirma, die stellt Computerprogramme für Heiz - und Lüftungssysteme von Hochhäusern her. Die Arbeit ist ......... interessant und anständig bezahlt. Ich hätte zwar lieber Heiz - und Lüftungssysteme von Raketen und bemannten Raumfähren programmiert, aber aus dem Astronautenalter ist man ja irgendwann einmal heraußen, und so dicht sind die Arbeitsplätze in diesem Bereich ja auch nicht gesät, so programmier´ ich eben Heizsysteme von Hochhäusern. Das ist nicht schlecht. Ich kann mir die Arbeitszeit selbst einteilen, je nach Auftragslage. Mit dem, was ich verdien´, kann ich mir einen Kredit leisten - für eine Wohnung, durch den Kredit kann ich mir zwar kein Auto leisten, aber ich fahr eh gern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, man kommt ja sonst nicht unter die Leute, wenn man nichts trinkt. Familie möchte ich keine gründen, solange der Kredit nicht abbezahlt ist, und meine Existenz halbwegs gesichert ist. - Und solange ich auch noch keine Frau habe. Man kann ganz gut alleine leben, das ist überhaupt kein Problem. - Also "überhaupt kein Problem" Ist es nicht, aber es geht, es ist zum Aushalten ........ oft. Auf zweiunddreißig Quadratmetern ist es zumindest vernünftig, alleine zu leben. Wenn die Firma, in der ich arbeite, doch nicht verkauft wird, bin ich in vierzehn Jahren schuldenfrei und kann mir eine größere Wohnung suchen, da wird dann sicher alles besser. - Hoffentlich! (nach hinten, zu mir ) Sag´ ist das wirklich alles?! Ein schlecht bezahlter, unsicherer Job, und Einsamkeit in einer zu kleinen Wohnung, - das ist es jetzt?!
ICH ( W.a. ): Najo, des host da ausgsuacht!
WILLI ( I.a. ): Das hab´ ich mir nicht ausgesucht! So ein Leben sucht man sich nicht aus, so ein Leben passiert einem!
ICH ( W.a. ): ( bestätigend ) Mhm!
WILLI ( I.a. ): War das
dein Experiment?
ICH ( W.a. ): Im groß´n und gaunzn: Jo! Wüst wieda tausch´n?
WILLI (I.a. ): Bitte! Ich möchte bei meinem persönlichen Scheitern zumindest selbst dabeisein.
ICH ( W.a. ): Najo, du muaßt jo net scheitern, es kaun jo a ollas gaunz leiwaund werdn.
WILLI ( I.a. ): Und wie soll das gehen?
ICH ( W.a. ): Woat, tausch ma z´erscht amoi!
WILLI ( im Übergang ): Jo bitte, i reiß´ eh scho a Authentizitätskrise auf.
ICH ( im Übergang ): Des warat schlecht, wäu wir soit´n glaubwürdig und nachvollziehbar bleiben.
WILLI ( W.a. ): So, jetzt g´schpia i mi wieda! - Und wieso muaß i net scheitan?
ICH ( I.a. ): Weil du ausschließlich das bist, was die Leute von dir glauben, und dein Leben schaut so aus, wie man es dir wünscht. - Das liegt bei euch übrigens in der Familie.
WILLI: Aha? ( ev. leicht zweifelnder und bittender Blick ins Publikum )
ICH ( ins Publikum ): Ich vertraue Ihnen jetzt - übrigens zum letzten Mal heute Abend - Eine meiner Figuren an. Und ich möchte Sie ersuchen, daß Sie sich für den Willi eine gute und nette Zukunft ausdenken. Es muß ja nicht gleich - was weiß ich - Chefchoreograph bei ( was-weiß-ich-Geste ) Töpferkursren sein, ........
WILLI: Ojo, des tät ma g´foin!
ICH: Ja, also gut. ( ein bißchen wie - Brille-runternehmen-und-an-die-Nasenwurzel-fassen ) Bitte schenken Sie dem Willi eine nette Zukunft.
WILLI ( ins Publikum flüsternd ): Töpferkurs! Is leiwaund!
( ab hier ein Lichtfade bis Schluß - "würdige Traurigkeit" )
ICH (WILLIs Abgang mit einem Blick begleitend, dann ins Publikum ) Also gut, der Willi wird jetzt also ......... Chefchoreograph bei Töpferkursen. Ich weiß ja nicht, haben Sie sich überlegt, wie ein Pas de Deux auf einer Schwungscheibe ausschaut? Naja, das hat er sich jetzt wirklich ausgesucht! So etwas passiert einem nicht. ( kleine Pause ) So. - Die Figuren sind jetzt alle untergebracht, die gehen jetzt ihren Weg, - die Kinder sind aus dem Haus. - Jetzt sind´s wieder nur Sie und ich, nur wir. - Was mach´ ma jetzt? - Also. Ich weiß natürlich schon, was wir jetzt machen, aber die Frage hängt in dieser Situation so im Raum;- Was mach´ ma jetzt? - Die Figuren gehen ihren eigenen Weg, wir müssen nicht mehr auf sie aufpassen, die führen jetzt ihr eigenes Leben, wir können ihnen nur das beste dafür wünschen, - mehr gibt es da nicht zu tun. - Jetzt sind wir wieder so, wie wir angefangen haben - nur Sie und ich. Jetzt sollte uns nur nicht der Text ausgehen, das wär´ sehr blöd, wenn wir in dieser Situation nichts mehr zu reden hätten, weil es ist ja noch nicht aus; wir haben ja noch Zeit - miteinander zu verbringen. Und die Zeit kann ganz schnell ganz schwer durchhängen, sowas ist dann nicht gut. Also, wir müssen uns um niemand mehr sorgen, - ( wie "aber" ) es ist doch interessant, wie gefährlich so eine sorgenfreie Situation sein kann! - In so einer Situation ist es, glaub´ ich, auch nicht gut, wenn man noch Geheimnisse voreinander hat. Man hätte jetzt zwar genügend Zeit darüber zu reden, aber - will man das wirklich wissen? - Jetzt noch den Kitt aus den Fugen kletzeln? Das hat solange funktioniert und gehalten, und jetzt auf einmal, nur weil es sonst nichts mehr zu tun gibt, soll man wissen wollen, daß es in Wahrheit nie wirklich gepaßt hat? - Es gibt den Zeitpunkt, ab dem ist man mit einem Geheimnis nicht mehr geheimnisvoll, sondern nur mehr fragwürdig. Aber man muß ja nicht fragen, man kann ja auch glauben, was man besser weiß. Man muß ja auch nicht unbedingt dauernd reden, man kann sich ja auch, jeder für sich ein Hobby suchen; Töpferkurse, zum Beispiel, die werden zum Teil von sehr charmanten jungen Männern betreut. ( je nach Publikumsreaktion ) Ja, da lachen die Männer! Männer suchen sich selbstverständlich ein männliches Hobby; Modelleisenbahn. - Sehr stark männlich dominiert, die Kleinbahnszene. Na, gut, aber Sie können jetzt ja schlecht zu töpfern beginnen, oder Bahnwärterhäuschen aufstellen, es geht ja jetzt um uns. Ich möchte mich jetzt auch nicht in allgemeine Betrachtungen flüchten und von unserer ( momentanen ) Situation ablenken. Wir befinden uns jetzt in einer Situation, in der wir von außen nichts mehr zu erwarten haben. Ich könnte mich natürlich jetzt hinstellen, ( zur Seite drehen ) und darauf warten, bis mich eine meiner Figuren zu Weihnachten besucht, aber - da brauch´ ich gar nicht auf den Kalender schauen - das würde die morgige Vorstellung empfindlich beeinträchtigen. Das morgige Publikum, und auch das an allen anderen Tagen würde sich zweifellos als etwas Besonderes behandelt vorkommen, aber das ist dann nicht ganz so, wie ich das eingangs gemeint habe. Ich möchte mich da jetzt nicht ´rausschwindeln, oder einen Überraschungsgast hervorzaubern, damit, wurscht, was, Hauptsach´ irgendwas passiert. Das möchte ich nicht. Ich möchte mit dieser Situation erwachsen umgehen. Das ist ja ein Vorteil am Älterwerden, - Wenn man sich einer Situation gegenübersieht, bei der man nicht mehr die Kraft hat, sie zu verändern, dann kann man mit dieser Situation erwachsen umgehen. Das schaut gut aus.- Also, wenn genügend Gleichaltrige dabei sind, kann so ein erwachsener Umgang mit Situationen sehr gut ausschauen. - Es sollten nicht zu viele Jugendliche in der Nähe sein, die habe kein Verständnis für so etwas, aber im Schulterschluß der vorzeitig Lebenslahmen schaut so ein erwachsener Umgang ausgesprochen gut aus. Vor allem Angehörige der eigenen Generation haben für so etwas viel Verständnis. Das ist eben eine Generation, die einen noch versteht! Man gehört eben einer Generation an. Gut, es ist nicht mehr die Generation "Wo wir sind, ist vorne!", es ist eben nur mehr eine Generation, eine von vielen dagewesenseinwerdenden Generationen. Genaugenommen hat man im Taumel der vorläufig ewigen Jugend die nächste Generation nach einem glatt verpaßt, überhaupt nicht wahrgenommen- "War in den Achzigerjahren irgendjemand fünfzehn?" - Aber man gehört jetzt eben einer Generation an, ( ein ganz zartes "äh, pff" - Gefühl vor dem Weitersprechen ) deren Hoffnungsträger, wo man damals gesagt hat: "Wenn der einmal, .......... da werdn´s aber schön schaun!", diese Hoffnungsträger tragen schon lange keine Hoffnung mehr, die dreh´n schon die dritte Runde mit leeren Händen, die tragen allenfalls richtig temperierten italienischen Weißwein, trinken ein bißl zu viel und reden ein bißl zu oft das selbe. Aber zumindest weiß man noch, was sie sagen, man spricht noch die selbe Sprache. In der Beurteilung zeitgenössischer Tanzmusik findet man sich in seltsamem Einklang mit vorangegangenen Generationen, obwohl die mit dem gleichen Wortlaut über unsere Musik hergezogen sind, was natürlich lächerlich ist, weil unsere Musik, das war noch wirkliche Musik! Und man gehört einer Generation an, in der das Wort "noch" eine immer größere Bedeutung bekommt. Wenn eine Generation sich selbst beschreibt, und in dieser Beschreibung das Wort "noch" eine zentrale Rolle spielt, dann ist diese Generation erwachsen. Das Älterwerden, bin ich draufgekommen, hat überhaupt einige Vorteile; nicht nur, daß die Organe, mit jedem Tag, den man Älter wird, weniger lang halten müssen, - das ist, genau betrachtet, ja eher ein hypothetischer Vorteil, es gibt auch richtige Vorteile am Älterwerden; wenn man sich das Leben so als Haus vorstellt, da gibt es, wenn man jung ist, jeden Tag neue Türen in dem Haus zu entdecken, und hinter jeder Türe ist dann irgendwas Spannendes und Aufregendes! Und wenn man älter wird, kann man schön langsam anfangen, daß man ein paar Türen wieder zusperrt. Eine Türe zum Beispiel, da steht drauf ( überrascht, ungläubig, stockend lesen ): "Wilde, ungezügelte Lust"( umblicken, vergewissern ) Das ist mein Leben! - Wie kommt da "Wilde, ungezügelte Lust" ..... ?!Was war das? (sehr zweifelnd, einen eventuellen Fehler in Betracht ziehend Türe aufmachen, kurz ´reinschauen, hastig wieder zumachen ) Jössasna! Richtig, da hab´ ich nachher so irrsinnig viel erklären müssen, da hab´ ich nachher wochenlang telephonieren müssen! - Ja, genau. Das Zimmer kann ich auf jeden Fall einmal zusperren. ( nächste Tür - lesen ) Da steht "Trotzdem!" ( kurzes Nachdenken ) Richtig! - Genau! Das war einmal irrsinnig wichtig: - Wurscht, was ist, - Trotzdem! Genau! - Naja, ich glaub´, das Zimmer kann ich auch schon zusperren. Daneben ist ein riesiger feuchter Fleck an der Wand, (hingreifen ) Der ist schon ganz weich, da kann man fast schon durchgreifen, was Steht da? ( offenbar undeutliche Schrift lesen ) "Ich möcht´ zwar eigentlich lieber nicht, aber .......... irgend........ immerhin........" Na, da wart´ ich noch ein bißchen, bis ich als ganzer durchpaß´, das wird dann mein Österreich-Zimmer! Zwei Wörter machen Österreich zu dem, was es ist; "Eh" und "Immerhin". Wenn etwas eh geht, dann heißt das: Keiner weiß, wieso das jetzt doch geht, keiner weiß, wie lange das so gehen kann, und es will auch niemand so genau wissen", aber, und da kommt der Tragödie zweiter Teil,: immerhin: Es geht - eh. Die Deutschen haben kein Wort für "eh", bei denen gibt es das auch nicht, daß etwas eh geht, bei denen geht etwas, oder es geht eben nicht. - Für einen Zwischenzustand haben die kein Wort. Dafür haben wir in Wien, obwohl der wiener Dialekt sehr erfindungsreich ist, wir haben in Wien keinen Ausdruck für "Etwas auf die Reihe kriegen"; Wozu auch? Was nicht ist, muß nicht benannt werden. Das Wienerische hat einige liebenswerte Besonderheiten. Zumal im Umgang mit der Wirklichkeit ist der wiener Volksmund von einer Ambiguitätstoleranz getragen, die buddhistische Meditationstexte vergleichsweise wie militärische Durchführungsverordnungen aussehen läßt. Da gibt es zum Beispiel das wunderbare "paßt!". Wenn Sie Handwerker daheim haben, und die reparieren - sagen wir - Ihre Therme, und Sie hören zufällig, wie ein Handwerker zum andern sagt: "paßt!", - sofort ausbezahlen, wegschicken, den Gashaupthahn, am besten gleich den vom ganzen Bezirk abdrehen, und neue Handwerker suchen. Ein Handwerker, der im Zuge seiner Arbeit "paßt!" sagt, ist gerade dabei, den Sergej-Mechanskij-Orden für mutige Montage zu verdienen; "paßt!" heißt nämlich: "Es paßt nicht, aber ich scheiß jetzt drauf, weil, bis ich weg bin, wird das schon halten."- Ein kleiner Ausflug ins Reich der Sprache, ich denke, ich bin es meinem Werkzeug schuldig, daß ich es nicht nur benütze, sondern auch ein bißchen herzeige und auf gewisse Eigenheiten hinweise. Das sind so meine Bahnwärterhäuschen; ich glaube, es tut einer Beziehung, wie wir sie gerade haben, ganz gut, wenn man sich die Hobbies des anderen ein bißchen anschaut. Ich muß allerdings einschränken, daß in dem Fall nur Sie sich mein Hobby anschauen und nicht umgekehrt. Das hat in dem Fall nichts damit zu tun, daß ich in unserer Beziehung die männliche Rolle übernehme, obwohl das natürlich so ausschaut, - ich red´ die ganze Zeit und sonne mich in Ihrer Aufmerksamkeit -; Daß Sie mir Ihre Hobbies jetzt bitte nicht vorführen werden, hat rein pragmatische Gründe; es wäre der Beschaulichkeit des Augenblicks doch ziemlich abträglich, wenn jetzt Volkstanzgruppen, Hobbyhöhlenforscher und Freizeittierpräparatoren unter Ihnen beginnen würden, ihr Steckenpferd zu reiten. Das ist also keine patriarchalische Geste von mir, daß ich mir Ihr Hobby jetzt nicht anschaue, das ist nur, um unsere Gemeinsame Zeit noch so angenehm wie möglich zu gestalten. Außerdem muß ich reden, ich hab´ eine Sprachinkontinenz. Bei mir ist der Schließmuskel zwischen dem Sprachzentrum im Gehirn und dem Stimmapparat verkümmert, der wird praktisch nie benützt, und da rinnt jetzt dauernd ´was ab. Als Bibliothekar völlig unbrauchbar. Das hätt´ ich werden können, bevor ich mit dem Psychotherapeuten begonnen habe Briefschach zu spielen. Ich wollte sogar einmal ein Schweigegelübde ablegen, aber irgendwie hab´ ich die Schwurformel so formuliert, daß man dafür fünf bis sechs Wochen durchreden muß. Da hab ich mir dann gedacht, wahrscheinlich wäre ein Schweigegelübde für mich gar nicht so schlecht, aber eben unmöglich einzuhalten. Also füge ich Sie in mein Schicksal und erzähl Ihnen ´was. Also keine großen Sachen mehr, sowas wie "Das Leben" Das Leben ist ja auch - als Thema - schon ziemlich benützt; jeder, der irgendwann den dringenden Wunsch verspürt hat, für besonders klug gehalten zu werden, hat sich dann über das Thema "Leben" hergemacht, und ein paar vollmundige Sätze über das Leben gesagt oder geschrieben. Zum Beispiel: "Lieber gefährdet und bewaffnet leben, als unter dieser feigen gegenseitigen Herdenfreundlichkeit!" - Friedrich Nietzsche, deutscher Philosoph.- Das kracht!, Was?! Kann man jetzt sagen: "Das ist aus dem Zusammenhang gerissen!" - Stimmt, eine Zeile darunter steht: "Alle Menschen, auf die bisher etwas ankam, waren böse." - Na, fein! Deutsche Philosophen. Oder Martin Heidegger. " Das faktische Dasein existiert gebürtig, und gebürtig stirbt es auch schon im Sinne des Seins zum Tode. Beide "Enden" und ihr "Zwischen" sind , solange das Dasein faktisch existiert, und sie sind, wie es auf dem Grunde des Daseins als Sorge einzig möglich ist. In der Einheit von Geworfenheit und flüchtigem, bzw. vorlaufendem Sein zum Tode hin "hängen" Geburt und Tod daseinsmäßig "zusammen". Als Sorge ist das Dasein das "Zwischen"." Ja, also, das holpert natürlich ein bißchen, aber das liegt vielleicht auch an der deutschen Sprache, die knirscht und rumpelt immer so beim Reden, da kann der Heidegger wahrscheinlich gar nichts dafür. Inhaltlich läßt sich mit der deutschen Sprache ja einiges bewerkstelligen, aber klanglich ....... Die Italiener haben´s diesbezüglich besser. Das klingt immer gut; ich glaube, auf italienisch lassen sich sogar Beipackzettel singen, bei denen singt irgendwie jedes Wort von selbst. Zum Beispiel der Name "Ernst", ich möchte jetzt keinem Ernst im Publikum zu nahe treten, mein Vater heißt auch Ernst, und ich bin in bestem Einvernehmen mit ihm, es geht jetzt nur um den Klang. "Ernst" heißt in Italien "Ernesto", das hat was! Im Deutschen Ist in dem ganzen Namen ein einziger Vokal, das "E", und danach kommt nur noch "rnst"; - eine Konsonantankollision. Das schaut aus wie ein alphabetischer Auffahrunfall. Wenn ich irgendwo "Ernst" geschrieben sehe, möchte ich immer mit einer Pinzette im "rnst" nach eingeklemmten, überlebenden Vokalen suchen. Im Sommer mach ich einen Italienischkurs, ich bin schon sehr neugierig, wie "Geworfenheit" auf italienisch heißt. Gut, die menschliche Existenz ist eben schon erwähnenswert, da macht man sich schon so seine Gedanken; der Mensch ist ja ein so begrenztes Wesen. - Der Mensch hat zwar die Möglichkeit,sich über bestehende Zustände zu erheben, und wirklichkeitsgestaltend einzugreifen, und es geht sich dann aber nie ganz aus! Dem beklagenswerten Mangel an Möglichkeiten, sich auf öffentlichen Toiletten die Hände zu waschen, - sicher kein zentrales Problem menschlichen Daseins, aber das ist jetzt ja auch nur ein Beispiel, - diesem Zustand ist der Mensch durch die Erfindung des nachfüllbaren Seifenspenders wacker entgegengetreten. Trefflich! Aber weil der Mensch eben ein so begrenztes Wesen ist, hat bis heute noch niemand den erfunden, der die Seifenspender auch nachfüllt. Beim Schlafen nicht zu frieren, ist schon eher ein wichtiges Problem, auch da ist dem Menschen etwas eingefallen; der menschliche Erfindungsgeist ersann die Bettdecke. - Und für die untersten dreißig Zentimeter hat´s wieder einmal nicht gereicht! Die Suppe wurde erfunden, aber die Suppe, die nicht zu heiß ist, wenn man sie bekommt, liegt noch immer unentdeckt in der Asservatenkammer zukünftiger Wissenschaftsgeschichte.
Es wäre jetzt an sich ein geeigneter Zeitpunkt, um über den Schluß zu reden, aber darüber hab´ ich ja schon am Anfang geredet, über Anfänge kann ich nix sagen, weil die verpaß´ ich meistes. Traditionell. Ich habe kein Schuljahr mit einem vollständigen Satz Schulhefte begonnen. Irgendwie hat mich das immer überrumpelt, ich war immer auf ein gemütliches Einschwingen eingestellt; ein nettes "Hallo!" in der ersten Unterrichtsstunde, so ein bißchen über den Plan des heurigen Schuljahres plaudern, so, worum es heuer geh´n wird, und vor allem sagen, welches Heft man für diesen Unterrichtsgegenstand braucht. - Hätt´ ich sehr gern gehabt. Vor allem das mit dem Heft; A4 - Heft, kariert, 60 Seiten! Hätt´ ich mir dann gekauft - oder auch liniert, oder glatt, je nachdem! Ich wollte nur nicht ein falsches Heft haben, ich hätte so gern von Anfang an in einem Heft geschrieben, das für diesen Unterrichtsgegenstand richtig ist. Kein A4 - Heft, wenn es ein A5 - Heft sein soll, nicht liniert, wenn es ein kariertes sein soll! Sie müssen jetzt nicht nach einem versteckten tieferen Sinn suchen, oder irgendwelche Metaphern darin aufstöbern wollen, das ist jetzt absolut gleichnisfrei, das ist jetzt nur mein Verhältnis zu Anfängen, ohne zweite Bedeutung, das hat mit dem Leben allgemein nichts zu tun, nur eben mit meinem. - Ich habe jedes Schuljahr darauf gewartet, daß uns der Lehrer in der ersten Unterrichtsstunde des jeweiligen Faches mitteilt, was für ein Heft wir uns für dieses Fach kaufen sollen. Darauf hab´ ich gewartet, damit ich von Anfang an gleich alles in Ordnung habe! - Kein Lehrer hat uns jemals gesagt, in welches Heft wir schreiben sollen, Hauptsache wir haben eines, und zwar bereits in der allerersten Unterrichtsstunde! Irgendein Mitschüler hat mir dann immer dankenswerterweise eines seiner noch unbenützten Hefte überlassen, aber eben nur eines; das war dann wochenlang mein Sammelheft für Deutsch, Geschichte, Mathematik, Naturgeschichte und so weiter, und meine Idee von "von Anfang an ordentlich!" ist regelmäßig in den ersten Tagen des Schuljahres zerstäubt. Ich weiß nicht, wie meine Schulzeit verlaufen wäre, hätte ich von Anfang an die Ordnung gehabt, die ich im Laufe des Schuljahres nie wieder herstellen konnte. Wahrscheinlich hätt´ ich die dann unterwegs sowieso verloren. - Ich hätt´ ja so gern eine Ordnung. - Struktur! Das hätt´ ich wirklich gern, aber irgendwie ist mein Leben entrop. Also grundsätzlich unordentlich und unstrukturiert. Jedes bißchen Struktur muß ich mir hart erarbeiten, von alleine geht gar nix! Wenn andere Männer sich drei Tage nicht rasieren, dann haben sie einen Dreitagebart. Von einem Dreitagebart kann man von ästhetischen und soziophänomenologischen Gesichtspunkten aus halten, was man will, aber ein Dreitagebart ist ein Dreitagebart, und wenn man einen sieht, erkennt man diese Struktur. - Wenn ich mich drei Tage lang nicht rasiere, dann schaut das aus wie ein schmutziges Gesicht, und wenn ich da noch zwei Tage dranhäng´, ändert sich daran überhaupt nichts. Mein Leben ist eben grundsätzlich unstrukturiert; das tut mir besonders leid, weil ich das so gern hätte, klare Verhältnisse, "von hier bis hier." Und so Sachen. - Hätt´ ich wirklich gern. Oder ein Schluß, egal, wie überraschend er kommt, daß es einfach so ist "Aus ist aus!" ( Blackout, .................... Licht an ) und nicht, daß danach noch irgendwas kommt, das ist dann kein richtiger Schluß. ( Blackout und ab )