Verehrte Netzbenutzer
Nun habe ich also wider das ehrenvolle Amt, die maßgeblichen Ereignisse der letzten Woche einer betulichen Betrachtung zu unterziehen. - Je nun. Die wirklichen Kracher sind ja eigentlich schon vor dieser Woche passiert; Graham Bell erfindet das Telephon, Karl der Große wird König, der Australopithecus richtet sich auf und der Alpenhauptkamm findet seine tektonisch bedingte Manifestation. Davor ist eigentlich nichts wirklich wesentliches passiert, wenn wir den Urknall als teilweise strittig einmal außer Acht lassen. Letzte Woche hingegen waren derlei Ereignisse eher rar. In Salzburg Stadt waren Chaostage angesagt, allerdings weiß man nicht, von wem. Das war ganz lustig zu beobachten, wie ein massives Aufgebot an Ordnungshütern einigermaßen ratlos in Mannschaftswagen ( in der Diktion deutscher Objekte solcher Einsätze heißt so ein Mannschaftswagen, - allerdings ein bißchen größer als die in Salzburg zu beobachtenden Exemplare, aber die Getreidegasse ist eben keine Berliner Chaussee, - wohl "Wanne") düsteren Blickes durch die Innenstadt patroulliert, auf der Suche nach dem zu befriedenden Feind. - Der war aber nicht da. Die ungeheuren Massen wild vor sich hinmarodierender Punks, vor denen die lokale Presse hingebungsvoll gewarnt hatte, waren einfach nicht da. Auch interessant. Entweder haben die in ihrem Chaos einfach den Termin vergessen, oder sie wollten bei dem schönen Wetter lieber ins Bad, jedenfalls die entschlossene Bereitschaft, den Katalog bürgerlicher Werte einschließlich der Blumen im Mirabellgarten notfalls auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, sicher aber bis zum Letzten zu verteidigen, ist so ein bißchen ins Leere gelaufen. - Stell´ dir vor es ist Straßenschlacht, und keiner geht hin. - Angeblich, aber das ist wirklich unbestätigt, und ich kann das eigentlich nicht so ganz glauben, haben dann doch noch zwei ältere amerikanische Touristinnen dran glauben müssen; da in Zeiten größter Gefahr der Feind dort ist, wo man ihn wittert, anders ist der Vorfall selbst als Gerücht nicht zu erklären, seien die beiden Damen - englisch sprechend, und mit violetten ( vermutlich ja wohl eher blaßlila, aber wie gesagt, in Zeiten größter Gefahr .......) Haaren, einem, wie man vermuten muß, hochmotivierten Einsatzleiter unversehens in die ordnungsgefährdende Quere geraten. Es soll angeblich in der darauffolgenden Viertelstunde zu sehr unschönen Szenen gekommen sein, allerdings ohne diplomatisches Nachspiel. - Wie gesagt, ein Gerücht.
Garri Kasparow hat gegen einen Computer im Schach verloren. - Was heißt das jetzt? Dieser Computer wurde programmiert, um gut Schach zu spielen, und vermutlich spielt er besser Schach als die allermeisten Menschen, und vermutlich gibt es weltweit kaum ein Dutzend Menschen, die dieser Maschine auch nur halbwegs eine Partie liefern können; das wurde bislang ja ohne großes Weltbildwanken hingenommen. Wenn nun Garri Kasparow der einzige Mensch ist, der gegen den Computer gewinnen kann, so wirft sich das Menschengeschlecht, zumindest einige Soseinsdeuter stellvertretend, in die Brust, klüger zu sein als "die Maschine". Sollte nun Herr Kasparow - er möge in Gesundheit alt werden - jäh von uns gehen, - nur einmal als Annahme, - so wäre das doch eigentlich für das Menschengeschlecht genauso konsequenzenschwanger, wie wenn er gegen den Computer im Schach verliert. Daß gerademal einer, oder sollen es meinethalben auch zehn sein, jedenfalls eine verschwindend geringe Anzahl von Menschen es schafft, gegen diesen Rechner im Schach zu bestehen, oder ob eben nicht, halte ich für nicht aussagekräftig, was das Verhältnis Mensch - Maschine betrifft. Der Ethik des Kommentators Genüge zu tun, sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß ich meine letzte Partie Schach vor drei Jahren gegen einen mäßig begabten Hohlziegel vernichtend verloren habe. (Wurde übrigens nicht im SPIEGEL besprochen.)