Die leichte Version

 

Das erste Folgeprogramm, hätte ich es geschrieben, trüge den Titel "Museum der Mißverständnisse" Zentrales Thema dieses Stückes wären " Die Grundlagen menschlichen Handelns und Verhaltens", so auch der Untertitel.

(LICHTWECHSEL, Spiellicht)

Es gibt ja einige Dinge, die unser Leben ganz grundlegend bestimmen, Regelmäßige Zahnpflege gehört da nicht dazu, das ist ein ziemlich undramatischer Akt, die Folgen von vernachlässigter Zahnpflege zählen dann interessanterweise aber schon dazu; (Verspielter Eigengebißbesitzer sucht humorvolle Urlaubsbegleitung; - Vermutlich lange). Sexualität gehört ganz zweifellos zu den Dingen, die unser Leben bestimmen, nicht so sehr die praktizierte Sexualität, dafür ist sie im allgemeinen zu kurz; Dinge, die so kurz dauern und trotzdem Wirkung haben, sind im allgemeinen nur im Schußwaffengebrauch zu finden, und meistens ist die praktizierte Sexualität auch zu undramatisch, um entscheidend ins Leben eingreifen zu können, obwohl im Fernsehen - in Talkrunden - gerne das Gegenteil behauptet wird; Jeder, der ein Paar Gummistiefel und eine Regenbellarine besitzt, hat auf einmal sein Coming-out als Gummifetischist. Die Sexualität wirkt vor allem in ihrem Vorfeld (so stark auf uns ein ). - " Haben wollen!", " Unbedingt müssen! - glauben, zumindest....", " Nie machen haben dürfen, aber jetzt z´fleiß und um so eher werden, wenn´s dann.....", und: " Mah!, Host´ de Tuttln g´segn? - Aso, Mausi tschuidign, i hob glaubt, du bist da Kurti."- Das sind so die Aspekte von Sexualität, die das, was man vom eigenen Leben hält, bestimmen. Aber das sind alles Dinge, bei denen klar und offensichtlich ist, daß sie auf unser Leben wirken. Das macht ihre Wirkung irgendwie abschätzbar. Gefühle gehören da auch dazu; Gefühle haben ja praktisch nichts anderes zu tun, als unser Leben zu beeinflussen. Das spielt sich alles in einem keineswegs überschaubaren, aber zumindest erkennbaren Rahmen ab; weil wir eben wissen, daß Zahnschmerzen oder eine permanent gesteigerte Begattungsbereitschaft uns ein bestimmtes Verhalten aufnötigen. - Vorausgesetzt natürlich, wir wissen, wie es um uns bestellt ist. Und das ist der Punkt, an dem eine ganz entscheidende Größe ins Geschehen greift. (In Science Fiction - Romanen der Fünfzigerjahre hat man so etwas als Faktor X bezeichnet) Hier kommen jetzt Dinge ins Spiel, die unser Leben nur deswegen so grundlegend beeinflussen, weil wir glauben, sie tun´s nicht. Diesen Dingen habe ich ein Gedankengebäude in Form eines Programms gewidmet; - Das Museum der Mißverständnisse.

Wie jedes Museum ist auch das Museum der Mißverständnisse nach verschiedenen Themenkreisen gegliedert, und es gibt auch die eine oder andere Sonderschau. Die einzelnen Themenkreise und Bereiche sind zum Beispiel:"Worum geht´s denn eigentlich?", "Fehleinschätzungen, die eigene Person und ihre Wirkung betreffend", mit Unterabteilungen wie "Mit mir nicht!" oder " Das wär doch gelacht!". In der Sonderschau gibt´s die sinnlosesten Sätze, die sich formulieren lassen; Da sind ja richtige Gustostückerln dabei. Zum Beispiel - " Wenn ich will, kann ich jederzeit aufhören!", zur völligen Sinnlosigkeit erblüht dieser Satz im Zusammenhang mit "Voriges Jahr habe ich ein Monat lang nicht....". Die Auswahlkriterien für sinnlose Sätze sind: Es ist wurscht, ob sie jemand sagt, wenn sie jemand sagt, ist es wurscht, ob sie jemand hört, wenn man sie hört, ist es wurscht, ob man darauf etwas sagt. So Sätze wie " Das hätt ich dir gleich sagen können." dann natürlich alle Sätze, die mit " Du, also, an und für sich " beginnen, und alle Sätze, in denen "Ganz konkret" vorkommt. Ein Klassiker unter den sinnlosen Sätzen ist:" Das ist ein Geheimtip!", und in diesem Zusammenhang auch ganz wunderbar:" Wir waren ja heuer in ....., einmalig!, KEINE Touristen!" - Ich frag mich ja, wo die Touristen alle sind, wenn jeder dorthin fährt, wo keine sind, und als was fährt er dorthin? - Ein Satz, der wegen seiner exemplarischen Sinnlosigkeit wahrscheinlich als Dauerleihgabe im Museum der Mißverständnisse bleiben wird, ist:" Ich übernehme die politische Verantwortung!"

Der Publikumsmagnet im Museum der Mißverständnisse sind "Letzte Worte" Zum Beispiel:

"So schnell schießen die Preußen nicht!"

1866, Hauptmann Alois Steinlercher bei Königgrätz.

"Keine Suppe wird so heiß gegessen, wie sie gekocht wird!"

Im Jahre 802, Luitpold, der Vorkoster Karl des Großen.

"Jetzt kommt der Trick, um den mich Houdini beneidet!"

1947, Der Große Bernardo, Entfesselungskünstler, also bis zu diesem Zeitpunkt

"Das muß doch....."

Das Exponat 248 aus dem elektropathologischen Museum.

"Hunde, die bellen, beißen nicht!"

Das war ende der Fünfziger Jahre ein anonymer Briefträger, der konnte nicht mehr identifiziert werden.

"Deine Schwester hat einen geilen Hintern!"

1978, Uwe Neeskens, Tourist auf Sizilien. Und so fort

Im Museum der Mißverständnisse gibt es auch ein ganzes Stockwerk für "Bekleidung", das sei hier aber nur erwähnt, ausführlich können wir uns dem nicht widmen, aus Zeitgründen, man kann ja nicht seriös über Sandalen reden, ohne die Frage der Menschenwürde grundlegend zu erörtern. Ähnliches gilt für Wohnraumbeleuchtung.

Nachdem ich Sie jetzt ein Wenig mit dem Museum der Mißverständnisse vertraut gemacht habe,(Schritt zur Seite, Lichtwechsel auf Grundlicht) Das war also jetzt der Anfang von dem Programm, ich dachte, es wäre eine gute Idee, mit einem Anfang zu beginnen, wir werden dann auch mit einer letzten Nummer aufhören, aber das nur am Rande(Lichtwchsel zurück) möchte ich Ihnen einen kleinen Dialog zeigen, der in der Halle: "Worum geht´s denn eigentlich?" zu sehen ist:

(Lichtwechsel)

DICHTER:(mit hohem dramatischen Impetus)Jaaaa! Und ihr sitzt da unten, fett und satt, bräsig; mit dieser "Nun macht mal!"Attitüde, und ihr wißt nicht, wie´s uns da oben geht!"Nun macht mal!" als ob es genügte, zu MACHEN!, Nur so zu TUN!, SEIN müssen wir es! SEIN! Mit jeder Faser unseres Wesens! Das kann man sich nicht umhängen, wie einen Mantel, da muß man HINEIN!, das muß man ganz und gar sein!( Wie oft schon mußte der Darsteller des Alpenkönigs für jede Vorstellung wieder aus den Bergen ins Theater zurückgebracht werden!, Wie oft schon mußte das gesamte Ensemble für "Die Räuber" aus dem Polizeigewahrsam freigekauft werden!), Und ihr sitzt da unten und sagt: "Nun macht mal!", und ihr wißt gar nicht, wie einsam wir sind, da oben, ihr habt ja keine Ahnung, wie verletzbar man ist, auf der Bühne, ihr macht euch ja überhauptkeine Vorstellung davon, wie wir LEIDEN!, wenn wir auf der Bühne stehen!, Wir leiden wie eine angestochene Sau!!,.....Nein, das mit der Sau ist nicht gut, das ist irgendwie nicht tragisch genug....sag mal, DU bist doch der Schauspieler; Wie leidest du, wenn du auf die Bühne mußt?, wie der Gekreuzigte?, oder wie?, Ich möchte das hier ganz authentisch ´reinbringen, sag, wie leidest du auf der Bühne?

SCHAUSPIELER:(normal) eigentlich gar nicht.

DICHTER: Schwachsinn! Natürlich leidest du! Du bist Künstler!

SCH.: Wenn ich leiden würde dabei, würde ich wahrscheinlich etwas anderes machen.

D.: Schwachsinn und Aberschwachsinn!! Du bist Künstler, du hast gar keine andere Möglichkeit!

SCH.: Naja, ich bin gelernter Glasbläser, in fünf oder sechs Jahren werde ich wahrscheinlich den Betrieb von meinem Vater übernehmen.

D.: Darum geht es doch gar nicht!

SCH.: Meinem Vater schon.

D.:So kommst du mir nicht aus, du weißt ganz genau, was ich meine! GANZ genau. Du MUßT da hinaus, du mußt einfach! (beschwörend) Diese Bretter, die für die anderen die Welt nur bedeuten, diese Bretter SIND gottverdammtnochmal deine Welt, du MUßT einfach da hinaus JEDEN ABEND! und natürlich leidest du!!

SCH.: Im Moment spiel ich viermal die Woche, aber mein Agent sagt,

D.: Sagmal, du stellst dich absichtlich blöde! KUNST!, mein Guter, Kunst ist Leidenschaft, Lei-dens-be-reit-schaft.

SCH.: Leidest du beim Schreiben?

D.: Ich habe diesen Text hier geschrieben, weil du mich darum gebeten hast, und als Schriftsteller und Künstler ist es meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, alles, aber auch wirklich alles schonungslos, und ohne Rücksicht darauf, wie es mir persönlich dabei geht, offenzulegen,....

SCH.: Also, gebeten habe ich dich um etwas anderes Weißt du noch, warum ich zu dir gekommen bin?

D.: Ja, du bist mit dieser Glückwunschkarte gekommen.

SCH.: Richtig. - Und?

D.: Und du hast nicht gewußt, was du da hineinschreiben sollst.

SCH.: Ich habe dich nur gefragt, ob ich besser "Alles Gute zum Geburtstag", oder "Alles Gute zu Deinem Geburtstag" schreiben soll, mehr wollte ich nicht.

D.: Das wäre beides auf jeden Fall zu wenig gewesen, mit so einer Glückwunschkarte hätte ich dich auf kein Fest gehen lassen; Nichts als Biedersinn, Augen verschließen vor den Problemen der Künstler gerade in diesem Land, wir als Künstler sind verpflichtet, jeden mit unserer Situation zu konfrontieren, auch, und gerade, wenn es unangenehm ist!

SCH.: Das ist ein Geburtstagsfest!

D.: Gerade bei so bürgerlichen Veranstaltungen!

SCH.: Mein Neffe ist neun!

D.: In diesem Alter habe ich meinen ersten Subventionsantrag gestellt. Wenn du die Wahrheit nicht erträgst, hättest du besser irgendeinen Schönschreiber fragen sollen, ob er dir hilft, mit deiner Bürgerlichkeit fertigzuwerden. Mehr kann ich für dich nicht tun. So, und jetzt mußt du mich entschuldigen, ich muß noch Weihnachtseinkäufe erledigen.(Blackout, Lichtwechsel,Grundlicht)

 

Da sind wir also wieder im Hier und Jetzt. Dieses Programm hätte mir großen Spaß gemacht zu spielen. Interessant ist vielleicht auch, daß ich für dieses Programm einen Preis bekommen hätte. Meine Verwandtschaft wäre sehr stolz auf mich gewesen, weil ich den Deutschen Kleinkunstpreis hätte bekommen sollen, das ist aber ein Übermittlungsfehler, tatsächlich bekommen hätte ich den kleinen Deutschkunstpreis, eine Anerkennung, die monatlich von einen Gruppe teilentmündigter Schulwarte verliehen wird, und aus einem Satz Schulbleistifte und einem Schulheft, vierzig Seiten, liniert mit Korrekturrand besteht. - Ich hätte mich trotzdem gefreut. Mein Leben hätte sich ansonsten kaum verändert; außer der Sache mit dem Faxgerät. Freunde hätten mich überredet, ich müsse mir ein Faxgerät zulegen. Nun bin ich und wäre auch im Konjunktiv ein Mensch,der über eine gewisse Gemütsstärke und Selbstachtung verfügt, aber wenn´s ums Telephon und um alles, was damit zusammenhängt geht, muß ich gestehen, bin ich ein bissi dünnhäutig und das wäre zweifellos auch im Konjunktiv so, es müßte mich also ein besonders hirnerweichender Teufel geritten haben, mir dieses elende Faxgerät doch anzuschaffen, aber ich hätte es getan, ich hätte mir ein Faxgerät gekauft. Ich will mich nicht in detailverliebte Schilderungen ergehen, jedenfalls, dieses Faxgerät hätte nicht nur nicht funktioniert, es hätte auch mein Telephon lahmgelegt. Der Verkäufer dieses Gerätes hätte sich anderntags eine Reihe blumiger Flüche und vollmundiger Verwünschungen anhören müssen. Dann hätte er gesagt." Na, das wär´ doch ´was für ihr nächstes Programm!" - Daraufhin hätte ich mein Telephon abgemeldet. Aus heutiger Sicht sicher eine Überreaktion, aber ich wäre zu diesem Zeitpunkt in einer etwas eigen artigen Situation gewesen; ich hätte mich nämlich mit einem Problem herumgeschlagen, dem ich konsequenterweise nicht hätte beikommen können. Gerne hätte ich folgende, vielleicht nicht sehr lustige, aber für mich wichtige Nummer gemacht:

(LICHTWECHSEL)

Wir haben ja im Abendland einige geistige Errungenschaften vollbracht, derer wir uns gerne in die Brust werfen.

(LICHTWECHSEL zurück)

Das war jetzt wieder eine Genitivkonstruktion, aber das nur am Rande

(LICHTWECHSEL)

Eine dieser Errungenschaften ist die Trennung von Privatem und Öffentlichem. Die Trennung von Privatem und Öffentlichem ist ein Kulturgut; vielleicht nicht so offensichtlich wie die Demokratie, aber bestimmt so wichtig wie ein Mindestmaß an Umgangsformen. Es ist wichtig, daß man sich bei seinen Gefühlsäußerungen aussuchen kann, wer sie sieht, und genauso wichtig ist es, daß man sich aussuchen kann, wessen Gefühlsäußerungen man sich anschaut. Ich denke, jeder Mensch hat soviel Anstand, daß er nicht auf eine fremde Hochzeit geht, sich neben das Brautpaar stellt und das Brautpaar anglotzt, um eine Gefühlsregung zu sehen. Niemand würde es wagen, auf irgendein Begräbnis zu gehen, nur um jemanden weinen zu sehen. Das Fernsehen und manche Zeitschriften tun aber genau das. Ich möchte den aufklärerischen oder zumindest informativen Aspekt von Kriegsberichterstattung einmal ausklammern. ich rede davon, daß sich das Fernsehen selbst zu den Eltern von irgendwelchen Skirennläufern nach Hause einlädt, und diesen Eltern beim Hoffen und Bangen zusieht, und zwar ganz genau und ganz nah zeigt mir die Kamera jemanden, den ich nicht persönlich kenne und der vor allem mich nicht kennt, bei tiefsten Empfindungen. "Jössas, Mama, da Bua!"- Es geht mich nichts an! Mich und alle Fernsehzuschauer geht das nichts an! Manche Zeitschriften durchwühlen sogar den Hausmüll von Prominenten, und drucken den dann viefarbig und kommentiert ab, oder sie photographieren diese Menschen beim Austausch von Zärtlichkeiten und bezeichnen das dann als schamlos(Muß man sich ja einmal vorstellen, aus tausend Metern Entfernung mit einem Wahnsinnsteleobjektiv photographieren die jemanden, der davon nichts weiß, in seinem Privatbereich und empören sich dann, der Photographierte wäre schamlos!). Es gibt auch Fernsehsendungen, in denen Menschen eingeladen werden, sich bis an die Grenzen ihrer körperlichen Belastbarkeit zu verausgaben, und weil es dabei um viel Geld geht, tun die das auch. Und die Kamera drauf! "Kein doppelter Boden, alles echt! Diese Paar hier hat nicht gewonnen! Sie können nicht nur kaum noch atmen, nein!, sie sind auch richtig verzweifelt!, das seh´n wir uns jetzt ganz genau an, sowas sieht man nicht alle Tage!" - Um jemandem in Momenten des Glücks oder der Verzweiflung so nahe sein zu dürfen, muß ich mit ihm in die metaphorische selbe Sandkiste geschissen haben! Natürlich wird da eingewendet, das ist eben die Wirklichkeit und das wahre Leben, s wird nur gezeigt, was wirklich ist. Einen Scheißdreck! Dieser Authetizitätsanspruch ist genauso verlogen wie blöde; Jeder, der irgendetwas untersucht, wird begreifen, daß die Untersuchung nicht ihr Ergebnis beeinflussen darf. Wenn ich von jemandem die Herzschläge zählen will, ist es schlecht, wenn ich ihm dafür die Brust aufschneide. (Ein bißchen besser, aber immer noch falsch ist es, wenn sich der untersuchende Arzt mit einer Kettensäge den Weg ins Behandlungszimmer bahnt). Das Fernsehen zeigt nicht das wirkliche Leben, sondern Dinge, die es gar nicht gibt, wenn das Fernsehen nicht inszeniert. Aber das ist nur ein methodologischer Einwand, worum es mir geht, ist folgendes: Auch und gerade beim geheimen und verstohlenen Beobachten werden Schamgrenzen gebrochen, die in unserem Kulturkreis seit der Abschaffung des Prangers Gültigkeit und Richtigkeit haben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Worte von Johann Krankl;" Das Privatleben ist Privat und soll auch privat bleiben." Es ist eben eine Frage des Respekts vor einem Menschen, daß man sich nicht vor jemanden, der weint oder sich im höchsten Glück ergeht, hinstellt und ihn dabei beobachtet nur so, aus Lust am Schauen. Und es ist egal, ob da ein Bildschirm, oder Bedrucktes Papier dazwischen ist. Ein möglicher Einwand wäre noch:" Ja, die Leute wollen das eben sehen, wenn jemand wirklich weint, oder vor Aufregung außer sich ist, den Leuten ist auch scheißegal, ob der betreffende eine Privatsphäre hat, die Leute wollen echte Tränen sehen, die Filmtränen reizen doch niemanden mehr!" - Einem Rauschgiftkonsumenten, der in diesem Stadium ist, würde ich sagen:"Es ist Zeit für einen Entzug."(BLACKOUT und LICHTWECHSEL)

Diese kleine Nummer wäre mir ein dringendes Anliegen gewesen, und zwar so sehr, daß man sagen könnte: "Da ist er jetzt aber ziemlich privat!" Und gerade das hätte ich ja nicht an die Öffentlichkeit tragen wollen. Ein klassisches Dilemma, oder auch eine Zwickmüle, die in mein bis dahin spannungsfreies Leben eine gehörige Verwirrung gebracht hätte. In dieser Situation wäre das Ansinnen des Verkäufers, Ich könnte doch private Probleme zum Thema eines Programms machen, Öl auf das Faß, das die Butter im Glashaus und so gewesen. Heute ist es mir ohne weiteres möglich, diese Nummer zu bringen, da hab ich überhaupt keine Bedenken, außer vielleicht, daß ich Ihnen gesagt habe, Sie sehen das leichte Programm, und dann hau ich Ihnen so ein abstraktes Trumm um die Ohren. - An dieser Stelle muß ich gestehen, daß das leichte Programm sich doch um einiges weiter vom Niveau von Politikerimitationen und derlei Unterhaltung entfernt hat, als ich ursprünglich vorhatte. na, gut. Mein Leben wäre also abgesehen von der vorhin erwähnten Malaise in geordneten Bahnen verlaufen, die Idee, das Telephon abzumelden, hätte sich als sehr segensreich für meine Lebensqualität erwiesen. Mein Manager wäre davon allerdings gar nicht so begeistert gewesen, weil er mich doch erreichen muß, und sein Büro weit außerhalb Wiens liegt. Die Idee mit den reitenden Boten hätten wir bald wieder verworfen. Wir hätten dann doch eine Lösung gefunden, wie er mir Nachrichten und Termine zukommen lassen könnte. Er hätte sich ein zweites Faxgerät gekauft, und er hätte es in dem Kaffeehaus, in dem ich regelmäßig frühstücke, installiert. Eine glänzende Idee, wie ich finde. Es wäre ein beschauliches Jahr geworden, und ich hätte viel Zeit und Muße gehabt, die Nerven wegzuschmeißen, weil ich ja dann doch wieder einmal ein Programm hätte schreiben sollen, und ich hätte überhaupt nicht gewußt, worüber.( Und wie sooft, wäre es wieder ein Mal der Zufall gewesen, auf den ich vergeblich gewartet hätte.) Interessanterweise wäre ich in dieser Notsituation, in diesem literarischen Zugzwang, ohne die geringsten Bedenken bereit gewesen, jedes private Ereignis in einem Programm zu verbraten, wenn es nur ein bißchen etwas hergegeben hätte, und vor allem wenn es sich ereignet hätte. Aber "Mein leben ohne Telephon" wäre vermutlich kein besonders tolles Programm geworden. Und "Meine Zeit in der Werbeagentur" das wäre vor allem ein sehr kurzes Programm geworden. Ich hätte zwar tatsächlich in einer Werbeagentur gearbeitet, ich hätte das als kreative Herausforderung einfach einmal probiert, aber eben nur sehr kurz. Meinen ersten Auftrag hätte ich nämlich so gründlich in den Sand gesetzt, daß ich flugs wieder hinausgeworfen worden wäre. Ich hätte nämlich einen Werbespruch für einen gewissen Sportschuh erfinden sollen. Nun kennt man diese Art Schuhe, Und ich hätte versucht, die herausragendste Eigenschaft dieser Schuhe in meinem Werbespruch zu beschreiben; mein Vorschlag "Der Wounderbra für Schweißfüße" wäre nicht angekommen, und ich schätze, die hätten mich auch nicht angerufen, wenn ich ein Telephon gehabt hätte. Diese Episode hätte mir zu denken gegeben; Dinge verkaufen zu helfen, indem man gewisse Eigenschaften diese Dinge elegant verschweigt, also geschickt lügt, hätte mir menschlich vielleicht nicht so große Probleme bereitet, aber ich wäre einfach nicht geschickt genug dafür gewesen. Zwar wäre der Leiter dieser Werbeagentur ein Jugendfreund von mir gewesen, aber er hätte mich in diesem Betrieb nicht brauchen können. Das hätte mir wie gesagt zu denken gegeben und ich wäre zu folgendem Schluß gekommen; Auf der Suche nach dem besten Lügner gibt´s keinen Schmäh. Den Zuschlag für die beste Lüge erhält wirklich der beste Lügner, und nicht jemand, der nicht ganz so gut lügt, aber eben ein Freund ist. Auf der Suche nach der besten Lüge geht es staubtrocken und sehr ehrlich zu. Diese Erkenntnis hätte mich auch glücklich davor bewahrt, mir private Wehleidereien aus den schreibfaulen Fingern zu saugen, und behaupten zu müssen, das sei "wahrscheinlich mein persönlichstes Programm". Ich hätte weiter auf Distanz zu mir selber bleiben können, und ich hätte weiterhin Dinge von außen kommentieren können. Diese Distanz zu mir selber wäre dann später in meinem Leben und auch in meinen Programmen........ doch davon später. Ich hätte also ein Thema gehabt, das auch sehr stimmig an das Museum der Mißverständnisse anschließt; das nächste Programm hätte geheißen "Eine Kulturgeschichte der Lüge"

(LICHTWECHSEL)

Interessant ist ja in diesem Zusammenhang

(LICHTWECHSEL zurück)

Wir sind also mitten im Programm, der Zusammenhang, von dem hier die Rede ist, hat uns heute nicht zu interessieren, das ist nur, damit Sie nicht glauben, ich spiel´ Ihnen nur Anfänge vor, als wären die das beste von den nächsten Programmen, aber das nur am Rande

(L.W.)

Ich kann das mit dem Zusammenhang auch weglassen

(L.W.)

Neinnein, das war nur wegen..... das wär jetzt zu kompliziert, bitte, fahren Sie fort

(L.W.)

San mir per Sie?!

(L.W.)

Ich wollte das mit der Distanz zu mir selbst eigentlich erst etwas später zur Sprache bringen....

(L.W.)

Ich bin zwei Programme später, wie lange woll´S die Leute durchfüttern?, wir sind da am Ölberg!

(L.W.)

Sie sind zynisch!

(L.W.)

Das hab ich mir nicht ausgesucht.

(L.W.)

Das stimmt (leider), das war ich; entschuldige,... entschuldigen Sie.... simma per Du?

(L.W.)

Na, ich glaub´ schon, immerhin bin ich das, was du in ein paar Jahren sein wirst.

(L.W.)

Naja!, Also EINE Möglichkeit!

(L.W.)

Wos is?!

(L.W.)

Oje, ich glaub´ jetzt hab ich mich verplappert.

(L.W.)

Da wundert´s mich nicht, daß ich bei der Werbeagentur ´rausg´flogn bin. Und ich soll jetzt ´was über die Lüge erzählen?

(L.W.)

Bitte.

(L.W.)

Ohne Zusammenhang?

(L.W.)

Ganz, wie du möchtest.

(L.W.)

Interessant ist ja (Seitenblick), daß wir von der Wahrheit reden können, ohne über die Lüge reden zu müssen. Wias is. is! Wir können aber nicht über die Lüge reden, und dabei die Wahrheit außer Acht lassen. Die Wahrheit gibt´s soundso, die Lüge gibt es nur als Widerspruch zur Wahrheit. Mit der Wahrheit ist das ja auch so eine Sache; "Die Wahrheit liegt in der Mitte!" - Na, so ein Blödsinn! Da hätt´ man sie ja gleich; Zwei Leute behaupten jeder irgendeine Trottelhaftigkeit, und genau dazwischen - zack! - liegert jetzt die Wahrheit. Einfach so, liegert die da, und sagert, fein, daß´S schon da seid´s, ich ab schon g´wart auf euch! Das wär schön. Die Wahrheit liegt aber nicht in der Mitte, meistens liegt sie auf der faulen Haut, oder in den letzten Zügen. Sicher liegt sie nicht auf der Hand, - unter der Hand, ja, da sickert schon die eine oder andere Wahrheit umeinander, aber diese Wahrheiten sind nur eher zufällig keine Lügen geworden, und demnach, wie sie behandelt werden(vertraulich), kann man nicht sicher sein, ob sie nicht ohnehin Lügen sind, nur eben sehr geschickte. Das ist ja der große Vorteil, mit dem die Lügen operieren, daß sie sich tarnen. - Als Wahrheit - klar!, Eine Lüge, bei der in Leuchtschrift drübersteht "LÜGE!", die hört sich niemand an, außer es ist ein guter Witz, - oder ein Wahlversprechen. Wahlversprechen haben ja, was das betrifft, eine Sonderstellung; nicht nur, daß sie erbarmungswürdig humorlos sind, werden sie nicht einmal besonders ergreifend vorgetragen, jeder weiß, daß sie nicht wahr sind, und trotzdem hört man sie sich an! Ich vermute dahinter so halbreligiöse Gründe; man hört sich ganz bewußt eine Lüge an, man opfert sich symbolisch der Lüge, in der Hoffnung, daß man sich sonst weniger Lügen anhören muß. Irgendwie so muß daß funktionieren. Lügen haben den Vorteil, daß sie sich tarnen können, aber sie haben auch mit einem entscheidenden Nachteil zu kämpfen; Jemand muß sie glauben. Eine Lüge, die keiner glaubt, ist wie wurscht. Aber da kommt der Lüge die menschliche Natur zu Hilfe; Der Mensch glaubt so gern! Ja, der Mensch glaubt halt so gern! Ans Christkind, an den Storch, an die Freiheit der Entscheidung, an die Möglichkeit, sein Leben alleine bestimmen zu können, und wenn´s mit der Zeit ein bisserl viel wird, was man eigentlich nicht mehr richtig glauben kann, dann bekommt man Kinder und schaut, daß die das glauben, erstens glaubt es sich in der Gruppe besser, und zweitens lassen sich Menschen viel leichter kontrollieren, wenn man weiß, was sie glauben. Ich möchte Ihnen zeigen, wie gern der Mensch glaubt; Wenn ich Ihnen jetzt sage, daß wir den Dialog vorhin abgesprochen haben, so sind Sie bereit, mir das zu glauben,...... Obwohl Sie wissen müssen, daß ich seit acht Uhr alleine auf der Bühne stehe, und es also niemanden gibt, mit dem ich einen Dialog hätte absprechen können.

(L.W:)

Das war jetzt aber nicht aus dem Programm.

(L.W.)

Nein, aber das hat sich sehr angeboten, um dich wieder ins Spiel zu bringen.

(L.W.)

Oh, danke, wie umsichtig! (Das war ein sehr gekonnter Umstieg, das hätte ich nicht besser gekonnt). In diesem Programm wäre unter anderem auch noch eine recht anschauliche Nummer über die Wirkungsweise von übler Nachrede gewesen, aber dafür hätte ich einen Freiwilligen gebraucht, und ich habe Ihnen ja eingangs versprochen, daß wir heute keine Freiwilligennummer machen werden. Außerdem hätte mir diese Nummer fast jedesmal, wenn ich sie gemacht hätte, eine Klage eingebracht. Mein Anwalt hätte sich gefreut, bis ihm die Anwaltskammer gesagt hätte, bei dieser Anzahl von (gleichartigen) Fällen muß er mir Mengenrabatt geben. Also, diese Nummer, so eindrucksvoll sie auch ist, möchte ich eigentlich nicht mehr spielen. Die "Kulturgeschichte der Lüge" hätte mein Leben überhaupt einigermaßen verändert; Meine Bekannten hätten begonnen, eigenartig auf mich zu reagieren; Durch die Beschäftigung mit der Lüge hätte ich eine eigenartige Wirkung auf meine Freunde und Bekannten bekommen. Hätte ich zum Beispiel die Frage nach der Uhrzeit wahrheitsgemäß beantwortet, hätte ich mir jedesmal ein "echt?" oder "wirklich?" anhören müssen. Als hätte die Lüge auf mich abgefärbt. Und es wäre etwas ganz seltsames passiert. Freunde, mit denen ich mich getroffen hätte, hätten in meiner Gegenwart begonnen, unaufhörlich zu sprechen, die hätten ununterbrochen geredet, vielleicht, um mich mit der Wahrheit ihrer Rede irgendwie reinzuwaschen, vielleicht auch nur, um mich nicht zum Reden, also auch nicht zum Lügen kommen zu lassen, ich weiß es nicht, in jedem Fall sicher gut gemeint, leider aber mit fatalen Folgen: indem sie unentwegt geredet hätten, wäre ihnen nämlich das eine oder andere zwangsläufig durcheinandergepurzelt, - nicht weiter schlimm, aber das hätten sie vor allem mir gegenüber nicht zugeben wollen, daß ihnen da jetzt etwas ´rausgerutscht ist, was so eigentlich nicht ganz richtig ist. Und so hätten sie begonnen, eine Ungenauigkeit, die einem beim Reden passieren kann, nicht zuzugeben, sondern mit einer Halbwahrheit zu vertuschen. Und diese Halbwahrheiten hätten sie versucht, mit Unwahrheiten geradezubiegen, und diese Unwahrheit hätten sie schließlich mit einer glatten Lüge vom Tisch gewischt und mir hätten sie die Schuld dafür gegeben. - Mit der Zeit hätte ich den Sozialstatus eines Lepraarztes bekommen, den man zwar grüßt, aber nicht die Hand gibt, weil man befürchtet, einer verliert dabei seine Hand. - In diesem ziemlich entwürdigenden Lebensgefühl hätte ich dann sehr deutlich die Notwendigkeit erkannt, ein Programm zu schreiben, das erstens offensichtlich nicht persönlich ist, das ist ja der Bereich, wo man am ehesten als Lügenbold bezeichnet wird, und zweitens sollte dieses Programm ein völlig unverfängliches Thema haben. - Ein Mensch, dem ein Mindestmaß an Sozialkontakten vorenthalten wird, ist sehr gefährdet, eine Verzweiflungstat zu begehen; und ich wäre in diesem Zustand so weit gewesen; ich hätte tatsächlich begonnen, ein Programm zu schreiben mit dem Titel "Übers Wetter". Dieses wäre allerdings durch meine Lebensumstände gottseidank nur ein Fragment geblieben. Meine Lebensumstände wären nämlich die selben geblieben, die sie auch heute sind, nämlich die eines nachtaktiven Stadtbewohners. Und als solcher ist es mir unmöglich, auch nur halbwegs seriöse Aussagen über das Wetter zu treffen. - Der Weg ins Kaffeehaus zum Frühstück läuft per Autopilot, da ist es zwar schon zwölf Uhr vorbei, aber außer den elementaren Lebensfunktionen ist da bei mir für´s erste einmal gar nichts.(Würde mir um diese Uhrzeit eine Straftat unterlaufen, kein Gericht der Welt würde mich für schuldfähig erklären), Da bin ich einfach nicht Herr meiner Taten, das Läßt sich daran illustrieren, daß ich auf dem Weg zum Frühstück einmal beim Frühjahrsmarathon eingefädelt hab, und erst am Heldenplatz den ersten klaren Gedanken gefaßt hab, weil ich so lang auf den Kellner warten hab müssen. Man kann also davon ausgehen, daß ich auf dem Weg ins Kaffeehaus dem Wetter keinerlei Beachtung schenke. Dieses Kaffeehaus befindet sich in einem Gebäude, das in bester abendländischer Bautradition gefertigt ist, und zwischen Espressomaschine und Mehlspeisvitrine spielt das Wetter eine denkbar untergeordnete Rolle. Den Rest des Tages verbringe ich auch vornehmlich in geschlossenen Räumen, größere Distanzen als bis zum Kaffeehaus lege ich mit dem Taxi zurück, weil das kostet soviel wie ein eigenes Auto, aber ich brauch mir keinen Parkplatz suchen. Wenn dann die Luft finster wird, geh ich in die Arbeit, aber ich glaub´, da ist das Wetter ja auch schon vorbei. Mein Rumpfwissen über das Wetter hätte ich dann in ein Gedicht verpackt; Dieses Gedicht wäre eigentlich auch schon alles, was von diesem Programm jemals zustande gekommen wäre. Das gilt also nicht als Programm im Sinne des heutigen Abends, ich möchte es nur der Vollständigkeit halber hier vortragen.

 

Die Sachen auf der Wetterkarte

kommen von der Hohen Warte.

Die haben dort in einem Buch

auch Himmel, Arsch und Wolkenbruch,

in dem Buch sind tausend Blätter,

eins für jedes Wetter.

Dieser totgeborene Rest von etwas, was es nie hätte geben dürfen, dieser Torso, der kaum das Zeug zum Fragment hat, dieser Schlag ins Gesicht der Sprache, dieses kleine Pfui hätte meine Freunde auf seltsame Weise berührt ("Heeeast, host sch g´heat, vom Gunkl?.... Na, des muaßt lesn; i glaub, dem geht´s wirklich net guat, den kemma net so hängan lossn, na, do miaß ma wos mochn, na, waust des glesn hätst.....) und sie hätten sich mir wieder zugewandt und hätten mir erzählt, daß das damals so irgendwie ,..und ob ich ihnen eh´ nicht,.... verstehen würden sie´s schon, aber es wär halt schade, weil wir ja doch schon so viele Jahre, und ob wir nicht wieder , und so fort. Ich wäre übermannt gewesen, und hätte mich wahnsinnig gefreut, daß sich alle meine Freunde wieder bei mir melden, die Geschichte mit dem Frühjahrsmarathon zeigt ja, was ich im grunde meines Wesens Für ein geselliger Mensch bin,... jedenfalls, ich hätte alle wieder in mein Herz geschlossen und hätte sie mit offenen Armen,..... Ich bemerke gerade, daß das so eine typische Schlußsequenz ist; Es gibt ja so Filme, die gerne so aufhören, die Freunde kommen nach Wegen und Irrwegen alle wieder zusammen, einige haben Schuld auf sich geladen, sind dadurch aber gereift, andern steht eine bisher nicht gekannte, tiefe Empfindung ins Gesicht geschrieben, man versteht und verzeiht einander, und man erkennt, daß, was auch immer geschehen mag, daß bei diesen Menschen,.....und da wird schweigend umarmt, und die Geigen winseln und irgendwo geht malerisch die Sonne unter, - Eine klassische Schlußsequenz eben. Das ist jetzt ein bisserl blöd, weil es wär grad Pause. Nehmen Sie dieses Gefühl, wenn Sie wollen in die Pause mit, aber schau´n Sie bitte, daß Sie´s irgendwie verlieren, und sei´n Sie nach der Pause in einer eher moderaten Verfassung, und vergessen Sie einfach, daß wir eine Schlußsequenz gemacht haben, weil ich möcht Sie nicht mit so einem Riesenseufzer hängenlassen, aber es wär für mich recht anstrengend, nach der Pause eine dreiviertel Stunde lang die Geigen winseln unter die Sonne untergehen zu lassen, nur um den schönen Schluß nicht zu zerstören, Sie hätten auch sehr wenig davon, wenn ich mich die zweite Hälfte lang schweigend umarmen würde. Das mit der Schlußsequenz paßt jetzt eigentlich nicht, aber es wäre halt wirklich so passiert, da kann ich jetzt nichts machen. Machen wir einfach Pause.

 

 

 

 

 

 

ZWEITER TEIL

Herzlich willkommen in der zweiten Hälfte meiner ungewissen Zukunft. Wir haben jetzt noch drei Programme vor uns, also eigentlich vier, aber das fünfte Programm, von uns aus gesehen jetzt dritte lassen wir ja aus. Wir haben erst zwei Programme durch, und erst schon die halbe Vorstellung heruntergerissen, wir sind im Zeitplan also ein bißchen hintennach. - Wir haben uns da ein bißchen verplaudert. - Das ist ja interessant, daß ich da einfach sagen darf, WIR haben uns verplaudert. Bis jetzt habe ja nur ich geplaudert, Sie sind ja auch nicht zum Plaudern hergekommen, Sie sind hergekommen, weil ich plaudere, und weil das so ist, weil nur ich plaudere, kann ich jetzt so keck drauflosbehaupten, WIR hätten uns verplaudert. Das ist natürlich eine Gemeinheit, aber das sollte damit auch bewiesen werden. Ein bißchen Lebenshilfe. Vielleicht hilft Ihnen das, sich elegant zu entwinden, wenn so ein rasierwasserschwangerer " Wir haben ja in der Vergangenheit..." - oder" Wir wissen ja alle,...." - Schulterschluß auf Sie zukommt, da muß man immer sehr aufpassen. - Wenn einer so herzig mit dem Wir-Gedanken wachelt, auf ja und nein sitzt man dann in einem selben Boot und rudert, und er ist der Kapitän, oder das, was UNS schon etwas wert sein sollte, zahlst DU. Da muß man eben aufpassen. Ein bißchen Lebenshilfe, wie gesagt; in einem gewissen Rahmen bekleiden wir Kleinkünstler ein wo nicht apostolisches, so doch zumindest seelsorgerisches Amt. Das nur dazu. Zurück zum Stück. Die zweite Hälfte. Im allgemeinen ist die zweite Hälfte für alle Beteiligten immer einfacher und spannender als die erste. Also im Theater und im Film ist das so. Im wirklichen Leben ist das eigentlich nicht so sehr der Fall(, daß die zweite Hälfte einfacher ist). Obwohl beides so ziemlich nach den selben Gesetzen abläuft; In der ersten Hälfte werden die handelnden Personen und vor allem ihre Eigenschaften vorgestellt. Die Eigenschaften, das ist vor allem das, was jemand NICHT zusammenbringt. Und in der zweiten Hälfte ist es dann immer sehr spannend, wie diese Person damit zu Rande kommt. Und das ist im wirklichen Leben irgendwie nicht ganz so spannend. Im wirklichen Leben hat man halt so seine Limitierungen und Probleme, aber es bietet sich kein heroischer Akt an, um sie zu überwinden. Also, wenn jemand Höhenangst hat und zur Firmung seines Kindes DOCH mit dem Riesenrad mitfährt, das ist nicht der Stoff, aus dem Heldenepen sind. Oder wenn jemand gern Punschkrapferl ißt, aber eine Zeit lang darauf verzichtet, wegen der Bikinifigur im Sommer, so ist das auch nichts, was mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt werden würde. Für eine spannende zweite Hälfte muß man schon ins Kino oder ins Theater gehen. Und damit sind wir beim großen Problem mit dieser zweiten Hälfte; Sie ist nicht wirklich sehr spannend. - Die Probleme, die der Held unserer Geschichte, also ich in der Zukunft haben könnte, sind recht banal; Gefühlsarmut. latenter Autismus und Schwierigkeiten, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Sascha Hehn würde so eine Rolle ablehnen. Ich bin da leider ein bißchen spät draufgekommen, da hab ich die erste Hälfte schon geschrieben gehabt, ich hätte da was mit Fallschirmspringen und Extrembergsteigen reinschreiben sollen. - Da hätt´ ich jetzt so richtig dramatisch aufgeigen können; kleine Hunde aus Gletscherspalten retten und so Sachen, pfuh! Ich werde aber versuchen, meine Zukunft ab jetzt(, in einem glaubwürdigen Rahmen, versteht sich,) ein bißchen spektakulärer zu gestalten. Wir sind jetzt also wieder im Konjunktiv.

Sagen wir also, die Geigen aus der letzten Szene vor der Pause hätten also fest gewinselt, die Sonne hätte unter allgemeinen Begeisterungsstürmen wie ein Jojo immer wieder malerisch untergehen müssen und hätte dafür prima Haltungsnoten bekommen, meine Freunde und ich wären einander in den Armen gelegen, wir hätten einander geherzt und gehalst, bis die ersten von uns mit einer Gelenksentzündung ins Spital hätten müssen. Ich hätte mich dem Leben wiedergegeben gefühlt. Mehr als das, ich hätte mich plötzlich dem Leben überhaupt erst gegeben gefühlt. Mein bisheriges Dasein wäre mir auf ein Mal sehr trostlos und arm vorgekommen. Eine Welt, wie ich sie bisher nicht gekannt hätte, wäre vor mir gelegen, reich und bunt und durchdrungen von einer umfassenden Fröhlichkeit, ich hätte der Welt sagen wollen, wie wunderbar das Leben ist. Meine Rolle als missionarischer Skeptiker wäre mir plötzlich sehr traurig und gefährlich erschienen, ich hätte der unheilvollen Kraft des Zweifels die gütige Macht der reinen Heiterkeit und der absichtslosen Fröhlichkeit gegenüberstellen wollen. - Ich vermute, ich hätte auf dieser Wiedersehensfeier versehentlich am falschen Glas genippt. Reinhard und Inge hätten zu dieser gerade mit synthetischen Drogen experimentiert, das heißt, sie hätten diese Weichmacher sogar als Brotaufstrich und natürlich in Getränken zu sich genommen, und ich hätte vermutlich eines ihrer Gläser erwischt und ausgetrunken. Jedenfalls wäre ich eine Woche lang in einem bedenklich gedankenfreien Zustand gewesen. Mein Manager, ein sehr lebensnaher Mensch hätte mir gesagt, in diesem Zustand könne er mich nur entweder an eine amerikanische Wiedertäufersekte oder als Organspender vermitteln. Wie schlimm mein Zustand gewesen wäre, läßt sich daran erkennen, daß ich geantwortet hätte: "Wie immer du dich entscheidest, wenn es die Entscheidung deines Herzens ist, wird sie die richtige sein." So wäre ich zu meinem Organspenderausweis gekommen. Nach etwa einer Woche wären die Symptome abgeklungen, und ich hätte wieder begonnen, mit dem Taxi zu fahren, statt, wie in dieser Woche, die Taxilenker zu tragen. Diese kleine Episode hätte doch einiges bei mir bewirkt. Ich hätte begonnen, mich mit dem Gedanken anzufreunden, daß es eine Welt gibt, die existiert, bevor ich sie durch die Häckselmaschine meiner Bewertung habe laufen lassen. Irgendwie hätte ich die Idee sympathisch gefunden, daß das, was ich die letzten Jahre über seziert, kleingeschnitten, zerlegt und untersucht hätte, die Welt nämlich, daß die als Ganzes existiert und funktioniert. - Das ist für Sie wahrscheinlich nicht überraschend, aber für mich zu diesem Zeitpunkt eine Erkenntnis mit Ereignischarakter. Ich wäre bis zu diesem Zeitpunkt nämlich nach und nach in eine Eigenartige Situation geraten; Ich hätte die Welt zwar wahrgenommen, aber ich hätte sofort mit dem analytischen Besteck reingeschnitten und hätte nachgeschaut, wie´s drunter ausschaut, und wie´s funktioniert, und so weit ich gekommen wäre, das wäre dann die Welt für mich gewesen. Ich wäre in der Situation eines Fleischhackers gewesen, der beim Rind zwar jede Sehne und jedes Gelenk kennt, aber nie einer Kuh beim Fressen oder Scheißen zugeschaut hat. (Das erklärt auch, warum ich so schwer Zugang zu mir selbst gefunden hätte, weil bei sich selbst schaut man ja nicht so gern sooo genau nach.) Mit der Zeit hätte mir diese neue Sicht der Dinge sehr gefallen und ich hätte mich der Welt zwar nicht wiedergegeben gefühlt, aber ich hätte zumindest gewußt, daß es eine gibt. In diesem für mich sehr positivem Gefühl hätte ich dann ein absolut unzynisches und sarkasmusfreies Programm geschrieben mit dem schlichten Titel "Schön". Es wäre eine einfache Geschichte geworden, und ich hätte als Autor nichts kommentiert, und ich hätte mich, soweit man das beim Schreiben kann, überhaupt nicht in die Geschichte eingemischt.

WOLFGANG SCHÖN( staubtrocken, gefühlskalt, spricht äußerst korrekt): Na, Sie hätten sich sehr wohl eingemischt, jede halbwegs bissige Bemerkung hätten Sie im Keim erstickt, im ganzen Programm klaffen die Löcher, aus denen Sie den Zynismus herausgehalten haben. Sie hätten lieber das Wesen von Harmonie analysieren sollen, anstatt Konflikte wie Aussatz zu behandeln; Harmonie ist mehr, als bloß daß niemand ernsthafte Fragen stellt!

ICH: Herr Schön, bitte, es war grad so harmonisch!

W.SCH.: Es war nicht harmonisch, Sie waren gerade dabei, sich zu kastrieren!

ICH: also, ich hätte dieses Programm gemocht.

W.SCH.: Sie hätten es nicht gemocht, Sie hätten nur versucht, es gegen berechtigte Vorwürfe zu verteidigen.

ICH: Naja, berechtigte Vorwürfe....

W.SCH.: In diesem Programm gäbe es keine Figur, die imstande ist, einen klaren Gedanken zu fassen, weil Sie sich geweigert hätten einen klaren Gedanken zu Papier geschweige denn auf die Bühne zu bringen!

ICH: Naja, vermutlich hätte ich mit dem Anspruch, nichts zu analysieren, ein wenig übertrieben.

W.SCH.: Das glaube ich auch. Dieses Programm wäre auch kein Erfolg geworden, oder?

ICH: Das kann man so ....

W.SCH.: Ich weiß auch gar nicht, was wir aus diesem Programm bringen sollen

ICH: Ich habe an die Szene in der Selbsterfahrungsgruppe gedacht.

W.SCH.: Na, also begeistert bin ich nicht.

(LICHTWECHSEL, SCHÖN betritt offenbar einen Raum)

W.SCH.: Guten Tag!

IRMGARD: Seavas, i bin die Irmgard, oba i bin ma do nu net so gaunz sicha.

W.SCH.: Bitte?!

IRMGARD: Na, waßt, mia begrüßn uns olle so, in dea Söbsterfoarungsgruppm. Dadurch samma dem Prozess gegnüba offana

W.SCH.: Na, dann! Seawas, i bin die Irmgard, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß das nicht stimmt; mein Name ist Wolfgang Schön!

IRMGARD: Und warum bist du do? - I deaf doch du sogn? Oda sad´s es mehrere, oiso multipl? Es kost oba des söbe.

W.SCH.: Nein, ich bin alleine

IRMGARD: Bei uns net, mia san do olle net ala.

(LICHTWECHSEL)

ICH: Herr Schön, haben Sie da was umgeschrieben?

(L.W.)

W.SCH.: Ein wenig.

IRMGARD: Na, du, des is in Uadnung, mia haum gred´t üba des

(L.W.)

ICH(Resignierende Geste)

(L.W.)

IRMGARD: Wüst redn?, mogst an Tee?, woat, i moch an Tee(ab)

W.SCH.:(Blickt ihr nach, bemerkt offenbar auf der anderen Seite neben sich jemanden)

RUDI: Seawas, i bin da Rudi.

W.SCH.: Sie sind sich da aber nicht ganz sicher?!

RUDI: Na, ojo, I bin a Bekaunnta von da Irmgard, i bin a Fließnlega, und de Irmgard hot ma xogt, sie hot do an, dea is so weit von si söba entfernt, daß ea net oisa gaunza ins Bodezimma paßt. Jetzt haaumma umbaut bei dem, und de Wohnung is jetzt praktisch a anzige Duschtassn. Jetzt hob i ma denkt, waunn i do nu a poa so augschitte darenn, steß i mi gropfert.

(L.W.)

ICH. Herr Schön!

(L.W.)

W.SCH.(zu Rudi): Ich glaube, Sie müssen jetzt gehen, wir seh´n uns bei der Wiederaufnahme.

IRMGARD: So, des Wossa hob i amoi auf gstöt. Sog, host du gred´t mit wem?

W.SCH.:....... Oja, Ihr Freund war hier, der Fließenleger

IRMGARD: I kenn kan Fließnlega, owa mia kennea ruhig per du sein.

W.SCH.: Oja, doch, dein Freund Rudi, der Fließenleger

(L.W.)

ICH: Herr Schön, das ist mein Stück, und ich weiß, ob darin ein Fließenleger Rudi vorkommt, oder nicht. Und es kommt keiner vor, den haben Sie jetzt erfunden!

(L.W.)

W.SCH.: Na, gut, aber er ist nicht schlecht!

(L.W.)

ICH: Als Mensch schon.

(L.W.)

IRMGARD: Kennen Sie den Rudi?

(L.W.)

ICH: Ich war überrascht, ihn zu sehen.

(L.W.)

W.SCH.: Können wir jetzt wieder mit dem Stück(bemerkt offenbar, daß neben ihm jemand steht)Ja, was ist denn?!

RUDI: Tschuidign, daß i nu amoi stea, i woit ihnan nua mei Karterl gebm, fois amoi wos brauchn, Anruf genügt, und da Rudi schuarlt scho, und waun´s amoi....ah, Se miassn de Irmgard sei, er hot uns unbekaunntaweise mitanaund vakuppelt, na,schau, hob i goa net gwußt, wos i fia Bekaunnte hob,Verehrung, schöne Frau(zu Schön) jo, und waunn´s amoi an Installatea brauchn, i hob an Freind, dea mocht eana des!, absolut provisorisch, und übahaupt net billig, oiso, nix fia unguat, i muaß wieda

IRMGARD: Des woa jetzt da Rudi, gö?

W.SCH.: Kann bitte jemand das Licht abdrehen?

(LICHT AUS)
ICH: Nein, das möcht ich mir jetzt anschauen: Wolfgang Schön, ein Suchender nach Wahrheit und Harmonie gerät durch eigene Schuld in eine Boulevardkomödie, das möcht ich jetzt sehn.

IRMGARD: Jo, mi interessiert sowos aa!

(LICHT AN)Wolfgang, wüst du net wissn, wia´s weidageht?

W.SCH.: Ich kann mich beherrschen.

IRMGARD: Des is oba net guat, du soitast loslossn, vastehst, ATMEN!

W.SCH.(angefressen): ich atme täglich!

IRMGARD: Du bist, glaub i sehr vaspaunnt. Wauns´d wos üba di söba erfoan wüst, deafst net dauand frogn stön, sondern du muaßt afoch woatn, wos fia Auntwuatn kumman

W.SCH.(zu mir) Seh´n Sie, das mein ich! Das ist banal! Das mag zwar richtig sein, aber solche Sätze sind esoterische Meterware, das ist Dünnbrettpsychologie, dafür geht kein Mensch ins Kabarett.

(L.W.)

ICH: Und was sollte sie Ihrer Meinung nach sagen?

(L.W.)

W.SCH.(macht eine auffordernde Geste zu IRMGARD): Bitte

IRMGARD: Die Selbsterfahrung als Durchdringungsverlauf von verschiedenen Erkenntnisschichtungen ist vor allem für den Einzelnen erlebnisrelevant, weil das Ich sich in eine Gruppe nur dann ganz einbringen kann, wenn das Selbst darüber reflektieren muß, wie die Person als historischer Prozeß des eigenen Wesens zu einer Gesamtheit steht.

(L.W.)

ICH: Also gut, Herr Schön, wir schreiben das Stück gemeinsam um. - Das heißt, wir würden es umschreiben, wenn ich es geschrieben hätte.

Dieses Programm (oder Stück) wäre tatsächlich kein besonderer Erfolg geworden. Ich hätte es hauptsächlich auf Glaubenskongregationsversammlungen einer amerikanischen Wiedertäufersekte gespielt. Mein Agent, ein, wie gesagt, sehr lebensnaher Mensch, hätte die Adresse noch gehabt. Die Sektenmitglieder hätten von diesem Programm zwar kaum etwas verstanden, aber das und der Umstand, daß in dem Stück mehrmals das Wort "warum" vorkommt, hätte sie veranlaßt, dieses Programm als wichtiges philosophisches Werk zu bezeichnen. Alles in allem beschämend, aber ich wäre meinem Agenten dankbar gewesen, daß er mir mit diesem Stück immerhin über fünfzig Auftritte verschafft hätte. Ich glaube, es ist nicht leicht, ein Stück zu vermitteln, bei dem die (mit Abstand) freundlichste Kritik die Überschrift trägt "Kleines, warmes Kinderlulu". Diese Spielserie bei den Wiedertäufern hätte bei den Großen Seen begonnen, und hätte durch den amerikanischen Mittelwesten bis an den Fuß der Rocky Mountains geführt. Ich muß dazusagen, daß ich dieses Programm nur am Nachmittag hätte spielen dürfen. - Als Rahmenprogramm zwischen den "Praise the Lord"-Rufen und den Wunderheilungen am Abend. Außerdem hätte ich mich jeden Abend wunderheilen lassen müssen. Dabei hätte sich ein Knieleiden von mir verschlimmert. Der Oberwiedertäufer hätte mir gesagt, das sei "A Lack of Faith" also ein Mangel an Glauben; Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß es eher ein Mangel an Gelenksflüssigkeit ist. Aber wenn man am Fuße der Rocky Mountains sitzt, und das einzige, was man besitzt, ist ein Haufen Prospekte und Broschüren von einer Sekte, die sich aus steuerlichen Gründen gerade auflöst, und man keine Ahnung hat, wie man wieder nach Europa kommen soll, dann hilft einem der Glaube auch nicht mehr als Gelenksflüssigkeit. - Ich glaube, da hab ich jetzt doch ein bißchen Spannung in meine Zukunft gebracht; Sektenunwesen, Entwurzelung, Amerika! Das würde der Sascha Hehn wahrscheinlich auch gerne spielen. - Vielleicht wird´s ja einmal verfilmt. Die Rolle meines Agenten müßte dann der Bruce Willis spielen, und den Oberwiedertäufer müßte der John Malkovich, oder noch besser der Robert de Niro spielen, - Und dann Sascha Hehn (als Parzivalsfigur)? - Naja, so lange ich keine Drehbuchförderung habe, denk´ ich darüber nicht nach.

Ich wäre also in diesem öden Kaff am Fuße der Rocky Mountains gesessen und hätte nicht gewußt, wie´s weitergeht. Und was dann passiert wäre, klingt zwar phantastisch, aber es wäre wirklich so passiert. - Ein Filmproduzent wäre durch dieses Kaff gefahren, und er hätte eine Reifenpanne gehabt, oder er hätte einfach nur tanken müssen, das können Sie sich aussuchen, das ist nicht so entscheidend, mit diesem Filmproduzenten wäre ich ins Gespräch gekommen, und ich hätte ihm meine Geschichte erzählt. Er hätte gesagt, das sei ganz toller Stoff, er kennt zwar den Sascha Hehn nicht, aber er wird sich ihn gerne anschauen, die Geschichte sei jedenfalls ganz toll, und er hätte mir fünftausend Dollar gegeben als Drehbuchförderung. Und so wäre ich wieder zurück nach Österreich gekommen. - Schaun Sie, das ist wurscht, ob Sie mir das jetzt glauben oder nicht. Oder wäre Ihnen lieber gewesen, ich hätte mich zu den Marines gemeldet und wäre bei einer verdeckten Operation im Mittleren Osten desertiert und hätte mich als Doppelagent des bulgarischen Geheimdienstes nach Österreich durchgeschlagen, und müßte jetzt auf der Flucht vor dem CIA und den Bulgaren als U-Boot leben? - Das wäre ein bißchen dramatischer, das würde wahrscheinlich sogar der Tom Cruise spielen, aber ich könnte unter meinem Namen nicht mehr auftreten, ich müßte Ihnen die nächsten Programme mit einer Sonnenbrille und einem falschen Bart vorspielen, und ich spiel ja ohne Requisiten. Wir bleiben also bei der Version mit dem Filmproduzenten, die ist besser. - Ich wäre also wieder glücklich heim gekommen und ich hätte in der Zeitung gelesen, daß dieser Filmproduzent als Doppelagent des Bulgarischen Geheimdienstes enttarnt worden wäre, und daß er für wahnsinnig lange Zeit ins Gefängnis muß. So kommen Sie zu Ihrem Geheimdienst, und ich müßte das Drehbuch nicht schreiben. Ich hätte also wieder ein Programm schreiben können; das ist jetzt das vierte Folgeprogramm. Ein ganz normales Soloprogramm mit Vielen Figuren, und einer Menge gemeiner Beobachtungen. Dieses Programm wäre eine lose Nummernfolge geworden mit dem Titel "WEG! IST DAS ZIEL - über´s Reisen" In der Folgenden Szene Beobachten wir zwei junge Männer bei einem Urlaubsantritt:

(L.W.)

A.(betritt offenbar eine Wohnung, stellt eine schwere Tasche ab, ist ein wenig außer Atem): Hallo, seawas, eicha Lift is jo dauand hi, do miaßts amoi mit da Hausvawoitung redn! Bist scho fertig, kemma scho geh? Sogamoi, du host jo nu netamoi ´pockt. Waast du eigentlich, wia spät´s is?

B.: Seawas, no bumm, wos hostn du do ollas mit, i hob glaubt, mia gengan Zöltln, host du do in der Toschn in McGyver eipckt?

A.: Na. nur des, Wos ma hoit so braucht.

B.: Und dein Computer.

A.: Ja, und meinen Computer. I kaunn ohne mein Computer net oaweitn; und waunns´d as wissn wüst, i hob mei Lodegerät aa dabei und des Netztgerät und a Valängerungskabel, wann des Lode gerät hin wird. - Do setz i mi daunn ans Wossa und so kaunn i daunn guat oabeitn.

B.: Do warats jo gscheida gwesn, mia hättn bei dir im Büro a bißl aufgspritz, und hättn durt campiert.

A.: Kumm pock jetzt zsamm, der Dieter woat sicha scho auf uns.

B.: Dea woat eh!

A.: Daß du imma z´spät kumman muaßt! Du betreibst des direkt mit an religiösn Eifer. I hob des Gfüh, daß du die Zeit, die du net z´spät kummst ois vergeudet betrachtest. So, ois warat de Zeit, die a aundara auf di woatn muaß, die wertvollste Zeit in dein Lebm.

B.: Auf MI woat ma hoit.

A.: Waunn ma sogt, zehne, daunn is zehne!

B.: Und waun i daunn kumm, is hoiwa öfe, und es san a nu olle do!

A.: Oiso. Kummst jetzt mit, oda is fia di aa a scheena Urlaub, waunns´d dobleibst,und waast, daß da Dieter und i durt auf di woatn?

B.: Bülliga warat´s scho:

A.: Du bist dea anzige Mensch, der si auf a einsaume Insl a Gummipuppm mitnehmen tat, nur damit er wen hot, den er woatn lossn kaunn.

B.: Wos tät´d da du mitnehman? - A Stechuhr?

A.: Na! I tät ma wen mitnehman, der pünktlich is!

B.: Des warat auf ana einsauman Insel owa ziemlich wuascht. Woat auf di nie wer?

A.: Na! Nie! I bin immer pünktlich!

B.: Und täts du net gern wissn, ob´s auf di woatn?

A.: Des is net notwendig! I bin imma ois ersta do, und i bin daunn imma der,der woat!

B.: Interessiert di des net, ob wer auf di woatn tät?

A.: Na!, Jo!, I waß net!, Wos manst du?

B.: Na, waunn i jetzt beim Dieter auruaf, und sog, i bin kraunk, und dia hob i´s scho gsogt. - Und du loßt da jetzt nu a viertlstund Zeit, glaubst, daß ea woat auf di?

A.: Na, sicher! Ea hot jo mei Zöt in sein Auto.

B.: Oder glaubst, daß ea an Zettl auf die Tia pickt, ea is scho gfoan, und du soist mit dein Auto nochkumman.?

A.: Du bist gemein!

B.: Interessiert´s di? I ruaf eam au!

(BLACKOUT)

Ein Mikrodrama mit ungewissem Ausgang. In einer anderen Nummer Aus diesem Programm sehen wir zwei Urlauber in einem italienischen Strandcafe: (Sessel in die Bühnenmitte holen)

(L.W.)

ERSTER(stehend, neben dem Sessel): Tschuidign, is do no frei?

ZWEITER(sitzend): Jo, bitte(Nehmen-Sie-Platz-Geste)

- (Beide sitzten)

ERSTER: I bin jo gern do in Italien. Vua oim wegn da Sproch.

ZWEITER: Könnan Sie Italienisch?

E.: Jo, essn.

Z.: Redn nix?

E.: Na, i vasteh ka Wuat, oba heas so gern. Net, wia des klingt! Des mog i sehr. I hob ma übalegt, ob i´s net lernan soit, oba i hauma daunn denkt, wer waß, am End redn de genau so an Bledsinn, wia de bei uns daham, nur, daß i eam daunn vasteh. Do is daunn de schene Sprochmelodie aa hi. Könnan Sie Fremdsprochn?

Z.: I hob mi jetzt augmödt fia an Kurs, fia Globetrotter, wo ma zwarasiebzig Sprochn lernt, oiso ma lernt nur zwa Sätz, oba des san de zwa Sätz, de ma in jeder Sproch könnan soit, oi Reisender, akzentfrei, des is des Wichtigste

E.: Und wos san de zwa Sätz?

Z.: "Chef, nu zwa!" und "Schreib´s dazua!"

E.: Woin Se vielleicht a wos trinkn? deaf i Se eilodn? Woatns, i bestö, wos haum`sn g´hobt? Jo, genau, daunn trink i aa a Bier. Wos haaßt denn "nu zwa!" auf Italienisch?

Z.: Ancora due.

E.: Und "Chef" bleibt gleich. Wos sog i jetzt nu amoi Ankora oder Angora?

Z.: Des kummt drauf au; Waun´S Pulswärma woin, sogn´S Angora.

E.( offenbar den Kellner entschwinden sehend) Aha, miaß ma auf de nächste Runde woatn. - Angora - klingt scho schee. Oiso, wos mir net so gfoit, is des Französische. Des klingt fia mi fuachtboa. Nix ois wia "Ääääää" und "Ööööö" und "Üüüüüü".

Z.: Mia gfoit´s aa net. I find es klingt furchtboa, vua oim, waun´s singan, de Franzosn, des hoit i net aus, do haum´S recht, do klingt des Italienische hot scho vü schena.

E.: Es is jo interessant, daß des Französische lange die Sprache der Diplomatie und von de feinan Leit woa.

Z.: Jo, i hob wo glesn, des is, wö si des Französische aus dem Räuspern bei Hofe entwicklt hot. Oiso "Tschiff, ea kummt!", Oda "Bist du sicha, daß do kana hintan Vuahaung steht?" und so Sochn, de hot ma net so afoch sogn kennan, Wauma grod a Potzn Intrige aureißt, am Königshof, do hot ma se gaunz bestimmte Räusperer ausgmocht, de wos bestimmtes g´haßn hobm, und des is mit da Zeit imma komplizierter gwuadn, und so is des Französische entstaundn. Deswegn klingt des aa so.

E.: Des muaß schrecklich sei, waun ma a schene Stimm hot, und in Fraunkreich auf d Wöt kummt; De schene Stimm kaunst da in de Hoa schmiern.

Z.: Des warat, wia waunn ma absolut schwindlfrei is, und in Holland auf d Wöt kummt.

E.: Oda ma hot a Leba mit meine Nehmerqualitäten, und kummt in Islamabad auf d Wöt. - Jetzt is dea Könna scho wieder weg!, - Oiso, mi steat des jo net, waunn i wo bin, wo Touristn san, im Gegntäu, ma kummt si daunn söba net so schiach vua, und ma gfreit si aa iagndwie wieder aufs Hamfoan; do san de Leit zwor genauso schiach, oba se haum wenigstns kane kurzn Hosn au. Es is oba aa wirklich net leicht. I man, der do drübm, i man, wos soi si so ana auziagn?

Z.: Waunn´S mi frogn, in Augoatnflaktuam.

E.: Se san oba net zufällig dea, dea in da Brigitte und so Zeitschriftn de "Wie verbessere ich meinen Typ"-Spoitn schreibt.

Z.: Na, i hob a Fahnenfabrik, i moch Fahnen und Flaggn und so. Fia Vereine und so. Jetzt hauma wos gaunz neiches, die Junggessellenflagge; Des is auf weissn Dopplripp a brauna Strafm und darüber leicht außermittig a göba Punkt. Se san net zufällig bei an Verein, wo´S Fahndln brauchn kennan?

E.: Na, i woit amoi so a Oat Söbsthüfegruppm gründn, fia Leit, de ihre Termine net in Griff hobm, oba, kennan sa se eh vuastön, wia de Gruppmtreffm ausgschaut hobm,(Ka Mensch außer mir, und i z´spät), i waß a goanet, wia a Vereinsflagge von so an Verein ausschaun soit.

Z.: A Kalendablattl, auf dem vier oda fünf Uhrzeiga mitanaunda fechtn. Oba de Gruppm gibt´s jo woascheinlich eh nimma.

E.: Na. Oiso, zum offiziellen Auflösn samma nu net kumman.(oba i glaub, es is vabei) Dea Könna von do griagat a Ehrnmitgliedschoft, Jetzt is dea sch wieda weg! wissn´S wos, i geh eine, und hol uns de Bier direkt von da Bar, do daspoa i ma a de Angorapati, do sog i afoch:" Due!" und waun a mi auschaut, wiad a wissn, um wos´s geht.

(BLACKOUT)

(L.W.)

Ja, so überraschend würden die Nummern in diesem Programm enden....., hätt´ ich es geschrieben. Daß ich das fünfte Programm heute abend auslasse, hat einen besonderen Grund. Ich hätte als nächstes ein Programm machen wollen über Prokastinismus. "Prokastinismus" klingt zwar sehr gescheit, ("ich habe Prokastinismus!") irgendwie so, als hätte man eine entzündete Brotdose daheim, und jetzt kann man damit angeben, weil man den lateinischen Fachausdruck dafür kennt, aber es ist nur eine ganz gewöhnliche Verhaltensstörung. Prokastinisten sind Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Arbeit termingerecht zu erledigen. Vor allem unter Freiberuflern findet man viele Prokastinisten. Das ist nämlich notwendig, daß man sich die Arbeitszeit selber einteilen kann zum Prokastinieren. Wenn ein Prokastinist etwas in einer Woche erledigt haben soll, dann läßt er das zunächsteinmal acht Tage lang liegen. Und dann erledigt er die Arbeit von drei Tagen in einer Nacht. Prokastinismus, wenn man ihn hat, ist also nicht viel aufregender als Zuckerkrankheit, außer, daß man bessere Ausreden braucht. Aber ich hätte ein Programm darüber machen wollen. Nun bin ich aber kein Prokastinist, und ich wäre auch keiner gewesen als ich dieses Programm hätte machen wollen. Ich hätte aber wissen wollen, wie sich ein Prokastinist fühlt, und hätte mir mit dem Schreiben des Programms wahnsinnig Zeit gelassen. Sie können sich denken, was passiert wäre, absolut ungeübt im Umgang mit meiner neuerworbenen Verhaltensstörung hätte ich einfach den Zeitpunkt verpaßt, an dem selbst die gefürchtetsten aller Lieferterminüberzieher längst angefangen hätten zu arbeiten, und am Abend der Premiere hätte ich von diesem Programm außer einem höchst fragwürdigen Arbeitstitel keine Zeile gehabt, und ich hätte jeden Abend improvisieren müssen. Dabei wären sicher recht lustige Sachen gewesen, aber eben jeden Abend was anderes. Also kein Programm in dem Sinn, daß ich daraus jetzt etwas spielen könnte.

Das jetzt folgende sechste Programm wäre eine Art Abschiedsprogramm geworden.(Sie müssen jetzt nicht erleichtert oder betrübt auf- oder durchatmen, wir sind ja heute abend im Konjunktiv) Es wären doch, die grundsätzlichen Betrachtungen mitgerechnet, sieben Programme, das ist viel Zeit, viel Energie, eine Menge Geschichten und auch ein bißchen Geschichte für einen Menschen. Ich wäre mittlerweile an die Vierzig, ein Zeitpunkt, ein bißchen zurückzublicken, Fragen zu stellen; "Was ist los?", "Wie schaut´s aus?", "Gibt´s noch ´was?", "Auch nicht, wenn ich´s ganz schnell austrink?", - Fragen eben. Dieses Programm wäre sehr ruhig und beschaulich geworden und ich muß gestehen, mir ist für dieses für mich sehr wichtige Programm noch kein würdiger Titel eingefallen. "Halbzeit" schien mir unpassend, das hätte mich verpflichtet, weitere sieben Programme zu schreiben, das würde ich auch mögen, aber nicht unter den Auspizien einer Verpflichtung. "Ein Abschied im Stehen" schrammt mir zu knapp am Weinerlichen vorbei, einerseits, andererseits beraubt es mich der Möglichkeit, vielleicht doch noch ein paar Programme zu schreiben. Vorschläge aus dem Freudeskreis wie "Einmal noch die Sau ´rauslassen!" oder "Rambo" oder Ähnliches habe ich teils aus Gründen des guten Geschmacks, teils wegen Einschränkungen durch das Urheberrecht wieder verworfen. Den Titel dieses sechsten Programms kann ich Ihnen heute also nicht sagen. Gleichviel, meine Lieblingsnummer aus diesem Programm wäre die folgende.

Hier(Sessel) das wäre kein Thonet-Stuhl, - Natürlich ist das kein Thonet-Stuhl, sondern irgend ein Sessel, aber Thonet-Stuhl klingt einfach besser, (bedenken Sie, ich bin an die Vierzig, da schuldet man sich einen Thonet-Stuhl.-Sagen wir also, das wäre ein Thonet-Stuhl, und ich sage, (LICHTWECHSEL) stellen Sie sich bitte vor, das hier ist kein Thonet-Stuhl, sondern ein ganz wunderschönes orientalisches Sitzkissen. Daß ich Sie bitte, sich ein Sitzkissen vorzustellen, und hier nicht wirklich eines liegt, ist keine Budgetfrage, sondern, ich möchte, daß Sie jetzt das schönste und prächtigste Sitzkissen vor sich haben, das möglich ist. Und man stellt sich die Dinge immer viel schöner vor als sie wirklich sind; Pauschalreisende und nicht-mehr ganz-so-frisch-verliebte werden mir da zweifellos beipflichten. Stellen Sie sich also ein ganz üppiges, majestätisches, wunderschönes, rundes Kissen vor, aus kostbarer Seide und ausnahmsweise in ganz wunderbaren Farben. - Ich habe ja zum Bunten eigentlich kein spannungsfreies Verhältnis; - so, "das Bunte, das was heißen will" - schrecklicher Gedanke. - Wenn jemand etwas Buntes anzieht, um Aufmerksamkeit zu erregen, so erregt dieser Mensch bei mir eine Vielzahl von Gefühlen, von denen Aufmerksamkeit das geringste ist. Die Farbsymbolik! Wie der Berufsstand des Typ- und Farbberaters aufgekommen ist, hat man beim Museum der Mißverständnisse einen Trakt anbauen müssen. Aber das ist heute mein vorläufig letztes Programm, und da will ich, daß Sie´s prächtig haben. Stellen Sie sich dieses wunderbare, fette Sitzkissen also meinethalben in den wildesten und sattesten Farben des Morgenlandes vor.(ZU DIESEM ZEITPUNKT STEHE ICH LINKS NEBEN DEM SESSEL, EIN KNIE AUF DER SITZFLÄCHE) Das hat jetzt nichts zu sagen, daß ich mein Knie da drauf hab´ das bedeutet gar nichts, ich kann´s auch wieder ´runterstellen, - so - damit Sie da jetzt auf keine Doppelbödigkeit warten. Ich steh nur bequemer so, mit dem Knie da oben, manchmal, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich´s wieder ´runtertu´. Das lenkt nicht so ab so, als wär mein Knie ein Thema - vergessen Sie bitte vorläufig mein Knie, tun Sie einfach so, als wär´s nicht da. - Das ist jetzt wahrscheinlich ein bißchen abstrakt, so zu tun, als wär´ das Knie von jemand anderem nicht da, zumal das ja nicht zu den Standartsituationen gehört, in denen man fremde Knie ignoriert; bei Tisch, mit Gästen, oder im vollen Aufzug. Aber bemühen Sie sich bitte, konzentrieren Sie sich einfach nicht auf mein Knie. Das ist wahrscheinlich gar nicht so einfach jetzt, das ist so eine "Weißt du, wer dort hinten sitzt, aber drehe dich auf keinen Fall um!""Hmmm?"(KOPFWENDEN)- Situation. Das war wahrscheinlich sehr unbedacht von mir, das Knie da drauf zu stellen. - Aber das ist so auf einer Bühne, da hat jede Kleinigkeit Symbolcharakter. Die Bühne wirkt wie ein Vergrößerungsglas. - Martialische Naturen unter den Theaterleuten sagen: "Die Bühne wirkt wie ein Brennglas!" aber ich ziehe den Begriff Vergrößerungsglas vor, weil ich denke, daß die meisten Menschen mit einer Lupe doch wohl eher vergrößern als brennen.Zwölf oder dreizehn ist so das Alter in dem sich das entscheidet, bei den Buben kann´s auch neunzehn oder zwanzig werden. Die Bühne wirkt wie eine Lupe, jede Kleinigkeit heißt da schon etwas. Das hat natürlich den Vorteil, daß man mit ganz feinen Symbolismen arbeiten kann; Also: Plärrend den Badenweilermarsch, acht Mann im Stechschritt, SA-Uniformen, Männer in braunen Ledermänteln, mit breitkrempigem Hut, cholerische Schäferhunde an kurzer Leine, und schon weiß der Zuschauer: Aha! Die Staatsgewalt! Oder: Hawaiihemd, bunte Fliege, pajettenbesetzte Baseballmütze, schräg aufgesetzt, nicht verkehrt, nein: schräg!, hochklappbare Sonnenbrillen - hochgeklappt, neonfarbene, breite Hosenträger, Radfahrerhose - bunt, verschiedenfarbige Socken, Basketballschuhe, die der Requisiteur vermutlich unter Verlust seines Augenlichtes bemalen hat müssen, alles in allem eine Farbenkombination, die bei sensiblen Gemütern Nasenbluten auslöst, ein Ghettoblaster auf der Schulter, ein "Hey, Leute, alles cool?" auf den Lippen, mehr muß da gar nicht sein, schon weiß der Zuschauer: Aha! Ein Jugendlicher! - Stellen Sie sich das Sitzkissen vielleicht doch nicht zu bunt vor. Ich nehme also auf diesem Sitzkissen Patz(HINSETZEN) im Lotossitz. Das ist jetzt nicht der Lotossitz, das weiß ich schon, aber den Lotossitz kann ich nicht. - Wegen dem Knie. - Dem anderen. Das ist nämlich multisymptomatisch....hin. Ein Meniskus ist weg, ich weiß nicht, entweder hab ich den in meinen wilden Jahren so zermörschert, daß ich ihn irgendwann ´rausg´schwitzt hab´, oder er ist mir subcutan in de Blüah ´gangen, und fristet jetzt unten beim Knöchel sein Ausgedinge, weiß ich nicht. Und eine Schublade hab ich. Also korrekt heißt das Schubladengelenk, aber die Mediziner sind so ein lockeres Völkchen, die kürzen das einfach ab. Ich war beim Orthopäden, der schaut sich das Knie an, reißt recht herum damit, und sagt dann: "Naja, das ist eine Schublade!" Ich hab mir gedacht, das ist interessant, mir gehen nämlich eh ein paar Socken ab, vielleicht hat die wer da hineingeräumt. Aber das ist nur ein Schubladengelenk, das wackelt halt recht, und mehr ist da nicht. Gleichviel, ich sitze also im Lotossitz, oder im nächstmöglichen Substitut hin und beginne mich zu entspannen.(AUGEN SCHLIEßEN)Das ist jetzt ein sehr sensibler Teil dieses vorläufig letzten Programms. - An diesem Punkt gilt es, so etwas wie den Zauber des Augenblicks herzustellen, die Magie des Moments, wenn dieser Stabreim nicht zu platt wäre. Ich versuche, an nichts zu denken, - und zu warten, was passiert. - Ein ungeeigneter Zeitpunkt, werden Sie einwenden, schließlich wollen Sie ja was sehen für ihr Geld. - Sie können die Augen ruhig offenhalten. - Ich versuche, an nichts zu denken, nichts denken, ..... irgendwie fällt mir das sehr schwer, nichts zu denken, bei mir rattert ständig was durchs Hirn, das ist bei mir ein dauerndes Gewusel, da werden ständig Eindrücke, Erinnerungen, Gerüche, Vorstellungen miteinander verglichen, neu eingereiht, überprüft, neu eingereiht und so weiter. Da geht´s zu wie auf einem achtstöckigen Verschubbahnhof mit Überseeterminal und Flughafenanschluß; das ist sehr hektisch, betriebsam wäre das bessere Wort, sehr betriebsam geht´s da zu, meiliawa! - Nichts zu denken, ich probier´s wirklich! - Da wäre nichts zu reden für mich fast noch einfacher. Aber davon haben Sie ja nix, weil, wie ich ausschau, wissen Sie ja schon.- Obwohl, nichts zu reden für mich auch wahnsinnig schwierig ist. Das Reden geht ja fast schon von alleine, oft ist ja das Wort schneller als der Gedanke; meine Wörter sind ja schon wahnsinnig routiniert, ein perfekt eingespieltes Team, wie die Landungstruppen; unbemerkt von allen formieren sie sich, rücken vor, schlagen zu, und ZACK!, schon is gscheng! Ich bin dann immer sehr überrascht, muß mich entschuldigen, oder sagen "Es tut mir leid, ich hab mir´s überlegt, ich kauf´ den Verstärker doch nicht, Nehmen Sie ihn bitte wieder zurück." - Nicht leicht. Oje, ich glaub, jetzt hab ich die Wörter aufgescheucht, hat jemand eine Omega Speedmaster Professional mit Datum?, Das ist eine Uhr wie die hier, nur eben mit Datum. Also, egal, was ich sag, ich kauf sie nicht! Nichts denken! - Vielleicht liegt´s doch am Lotossitz, aber wenn ich jetzt die Kreuzbänder schnalzen laß, denk ich mir sicher was. Ich hab mir das ja schon bei den Proben gedacht, daß das nix wird mit dem Zauber des Augenblicks, wenn ich mir nix denk, aber ich wollt´s zumindest probieren. Irgendwie denk´ ich mir immer was. Jetzt zum Beispiel, denk´ ich mir, ich weiß gar nicht, wie ich drauf komm´, irgendwie denk´ ich mir, ich sollte meine Freunde anrufen, die hab´ ich schon lange nicht mehr alle gesehen, ich glaub´, das könnt ganz nett sein, wenn wir uns alle wieder treffen. Ich denk´ mir grad, vielleicht sollte ich ein Streichquartett bestellen, ich weiß nicht, wie ich da jetzt drauf komm´, aber irgendwie denk´ ich mir, das wäre passend. Wenn die dann so spielen, und alle Freunde sind da, das wird glaub´ ich sehr schön........(WÄHRENDDESSEN FADE OUT VON LICHT UND TON)